218 - Nefertari
um Pfeil auf die Gegner abzuschießen. Dabei traf sie mit erstaunlicher Sicherheit. Ein Hethiter nach dem anderen fiel von den Wagen und wurde, sich überschlagend, von den Rädern der nachfolgenden zermalmt.
Ramses hatte seinen Wagenlenker Menna längst angewiesen, hinter Nefertari herzufahren. Auch er schoss nun Pfeil auf Pfeil ab und traf ebenso präzise wie seine Königin. Menna sollte schauen, dass er in ihre Nähe kam, denn Ramses gedachte sie zu schützen oder an ihrer Seite unterzugehen.
Nefertaris Streitwagen prallte zwischenzeitlich auf einen hethitischen. Ihre Augen blitzten vor Kampfeslust, als sie blitzschnell ihr Schwert zog, sich unter dem Hieb eines Hethiters wegduckte und ihm die Kehle durchhieb.
Auch Ramses kämpfte mit großer Tapferkeit wie ein Löwe gegen die tausendfache Übermacht, tötete reihenweise seine Feinde und brüllte und beschimpfte sie dabei unablässig. Wie ein furchtbarer Dämon wirkte der riesige Mann, der sich langsam aber sicher in einen Blutrausch steigerte. Seine ursprüngliche Absicht, Nefertari zu schützen, bestand nun nicht mehr. Es zählte nur noch das Blut seiner Feinde, wo immer er es vergießen konnte.
Dennoch wäre er der Übermacht unterlegen, hätte nicht Nefertari zum letzten, ultimativen Mittel gegriffen. Sie öffnete eine Klappe in der Wand ihres Streitwagens und holte einen seltsam geformten Stab hervor. Diesen richtete sie auf drei nebeneinander anfahrende hethitische Streitwagen, die sie in die Zange nehmen wollten.
Ein greller Blitz zuckte aus dem Stab und hinüber zu den Streitwagen und traf den Lenker des mittleren. Ein Netz aus Lichtpunkten, heller als die Sonne, spannte sich plötzlich um seinen Körper. Er zuckte wild, schrie markerschütternd und ließ die Zügel fahren. Die Pferde brachen nach links aus und rammten in das daneben fahrende Gespann. Die Wagen hoben ab und überschlugen sich in der Luft, die Soldaten wurden herausgeschleudert und flogen viele Meter weit, während sich die Gespannpferde ineinander verhedderten und zu Boden gingen.
Mit einem gewagten Manöver konnte der dritte Streitwagenfahrer noch ausweichen, aber auch ihn traf ein Blitz aus Nefertaris Hand.
E’fah hatte es in all den Jahren nicht verlernt, mit dem hydritischen Kombacter umzugehen, den sie sich vor Jahren aus Hattuscha zurückgeholt hatte. Blitz um Blitz schleuderte sie und holte damit die Hethiter von den Wagen. Deren Angriffe begannen zu stocken, die grellen Lichterscheinungen lähmten ihren Tatendrang. Voller Angst vor dem scheinbaren Eingreifen der Götter zugunsten des Pharao begannen sie zu fliehen. Zumal nun auch die Elitetruppe des Pharao, Naruna-Kämpfer genannt, am Ort der Schlacht eintraf und, ebenfalls im Glauben, die Götter stünden ihnen bei, den fliehenden Hethitern mächtig zusetzte.
Ramses und die Naruna trieben die Feinde in den Orontes zurück, wo sie reihenweise ertranken. Muwatallis, der die Geschehnisse von ferne betrachtete, verließ ebenfalls der Mut, die über dreißigtausend Fußsoldaten einzusetzen, die Ramses und der Amun-Division endgültig das Genick gebrochen hätten. Die Hethiter zogen sich zurück, und auch Ramses zog wieder ab, ohne sein eigentliches Ziel, Kadesch zu erobern, erreicht zu haben. Er vergötterte seine Große Königliche Gemahlin Nefertari ab diesem Moment aber noch mehr, denn sie stand wie er in der Gunst der Götter, und diese hatten über sie die Entscheidung herbeigeführt.
Der Einzige, der hätte sagen können, was sich wirklich abgespielt hatte, hatte die Schlacht von Kadesch ebenfalls nicht überlebt: Heb, der Wagenlenker der Königin, lag mit einem Dolch im Nacken auf dem Schlachtfeld. Dessen Klinge bestand aus Bronze, so wie ihn die Ägypter trugen, und nicht aus Eisen, aus dem die Hethiter ihre Waffen herstellten.
Ramses ließ anlässlich des großen Sieges, als den er die faktisch unentschieden ausgegangene Schlacht bei Kadesch verkaufte, große Tempel überall im Land bauen; vor allem aber in seiner neuen, gigantischen Hauptstadt Pi Ramesse, die er auf den Ruinen der alten Hyksos-Hauptstadt Avaris errichtete. Zum ersten Mal stellten die Künstler, die die Statuen schufen, Nefertari gleich groß wie den Pharao selbst dar. Alle Welt sollte sehen, dass er sie nicht nur liebte und verehrte, sondern dass sie so groß und mächtig war wie er selbst.
***
Nefertari, die diese Gunst zu schätzen wusste, bereiste das ganze Land und inspizierte die Tempel, die zu ihren Ehren erbaut wurden. Vor allem
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