218 - Nefertari
starrte zu den mächtigen Wolkenbergen hinüber, die sich über dem Gebirgszug zu bilden begannen und sich mit dem Rauch der Vulkane vermischten. »Das gefällt mir nicht«, murmelte er.
Er sollte Recht behalten. Innerhalb kürzester Zeit nahmen die weißen Wolken eine dunkle Farbe an und wurden schließlich tief grau. Erste Blitze zuckten darin, ein noch dumpfes Donnern erschreckte die Kamshaas, die ohnehin schon unruhig waren. Grao und Daa’tan konnten sie nur mit Mühe halten.
»Wir müssen Schutz suchen, schnell!«, rief Grao, denn die aufkommenden Windböen rissen ihm bereits die Worte von den Lippen. Er zeigte nach vorne.
In aller Eile trieben sie die röhrenden und bockenden Kamshaas zwischen schroffe Felsen in eine Art Schlucht, während die Gewitterfront rasch näher kam. Die Sonne verschwand, der Himmel über ihnen wurde jetzt tief schwarz.
Die Schlucht machte einen Bogen nach Osten. Die Felsen, die gut zwanzig Meter aufragten, besaßen einige Überhänge. »Dort vorne!«, schrie Daa’tan gegen das stärker werdende Brüllen des Windes an. »Da sind wir geschützt!« Und schon trieb er sein Kamshaa an.
Es wäre ihm kaum geglückt, hätte das Leittier, das er ritt, nicht ohnehin den Überhang mit dem schützenden Felsengürtel darunter als geeigneten Platz ausfindig gemacht. Die Felsen, etwa drei Meter hoch, boten zusätzlichen Schutz. Trotzdem hatten Grao und Daa’tan alle Hände voll zu tun, die angsterfüllten Tiere zu beruhigen. Ein Tragtier war jedoch so in Panik, dass es aus dem kleinen Kessel ausbrach und laut blökend zurück in die Schlucht galoppierte.
»Kamshaakacke!«, schrie Daa’tan und wollte hinterher. Doch dann blieb er stehen, als sei er vor eine Wand gelaufen. Das seltsame Rauschen, das sie seit etwa einer Minute hörten und das ständig stärker wurde, schwoll nun beängstigend an. Es wurde zu einem lauten Donnern. Eiskalte Winde fegten in Orkanstärke über das Land und beschleunigten sich in der Enge der Schlucht sogar noch. Steine flogen, Bäume knickten um, als die Front von Osten her hereindrückte. Grao und Daa’tan warfen sich zu Boden. Es pfiff, kreischte und heulte, als der Wind über sie hinweg fuhr. In ihrem kleinen Kessel bekamen sie nur wenig ab. Das geflüchtete Kamshaa hingegen wurde erfasst, wie ein Palmblatt davon gewirbelt und in gut zehn Metern Höhe an einer Felswand zerschmettert. Dann drückte der Wind den Kadaver noch viele Meter weiter, bevor er sich in einer breiten Felsenritze verfing.
Der Platzregen, der danach niederging, war dann eher erfrischend für Mensch, Alien und Tier.
Als alles vorbei war, kümmerten sich Daa’tan und Grao um das tote Kamshaa, dem buchstäblich jeder Knochen im Leib gebrochen worden war. Sie wollten die wertvollen Wasser- und Nahrungsvorräte auf die anderen Tiere umladen – aber da gab es nichts mehr umzuladen. Sämtliche Transportkisten und Wasserschläuche waren an den Felsen zerschmettert worden.
»Kein Grund zur Panik«, beruhigte Grao den fluchenden Daa’tan. »Wir haben noch genügend Vorräte für viele Wochen, und solange wir Kakteen finden, werden wir keinen Durst leiden.«
Zwei Stunden später brannte schon wieder die Sonne vom Himmel, als sei nichts geschehen. Die durstige Erde hatte das Wasser bereits vollständig absorbiert.
»Was war das eigentlich gewesen?«, wollte Daa’tan wissen. »Ich hätte nicht geglaubt, dass es in der Wüste regnet.«
»Manchmal geschieht das«, erwiderte der Daa’mure, der mit den klimatischen Verhältnissen der Erde durchaus vertraut war. »Von der Midaa-See im Osten sind feuchte Luftmassen hierher gezogen und von dem Gebirge dort drüben zum Aufsteigen gezwungen worden. Das hat nicht nur zu dem Gewitter und dem Regen geführt, sondern auch zu diesem gefährlichen Sturm. Denn die Luftmassen sind als Fallwinde auf dieser Seite des Gebirges wieder abgesunken und haben durch die extremen Temperaturunterschiede eine gefährliche Geschwindigkeit erreicht. Wir hatten Glück, Daa’tan. Ohne die schützenden Felsen wären wir jetzt alle tot.«
***
Am nächsten Tag bemerkte Daa’tan die ersten Tiere, als er von seinem Kamshaa herab einen dürren Busch betrachtete, der sich an einem leicht ansteigenden Geröllhang festgekrallt hatte. Es handelte sich um mehrere Dutzend fingernagelgroße schwarze Käfer, die emsig auf den Blättern herumkrabbelten und kleine Stücke ernteten. Mit diesen kletterten sie den Hang bis zu einer Steilwand hoch, und verschwanden dort zwischen zwei hoch
Weitere Kostenlose Bücher