218 - Nefertari
mehr frei, um zivile Baiks oder Dampfmaschiins zu reparieren. Sie müssen sich in erster Linie um die Altbestände der Armee kümmern.«
»Du langweilst mich, Koroh. Das weiß ich alles selbst.« Yao betrachtete angelegentlich seine Fingernägel.
Der Schamane ließ sich nicht beeindrucken. »Und das Schlimmste: Du saugst die Huutsi aus. Sie alle müssen bis zum Umfallen arbeiten, und die Soldaten werden pausenlos gedrillt. Ein Großteil der Lebensmittelvorräte geht in die Lager der Armee, dafür hat die restliche Bevölkerung weniger zwischen den Zähnen. Zudem lässt du jede kritische Stimme über diese Zustände mit brutalen Methoden im Keim ersticken. Wir haben zum ersten Mal einen Zeugen dafür.«
Koroh hatte sich immer mehr in Wut geredet. Er schlug das Zepter auf den Boden. »Sind das die goldenen Zeiten, die du bei deiner Thronbesteigung den Huutsi versprochen hast, Yao?«
»Was regst du dich so auf, Koroh? Der Zeuge lügt. Ich lasse keinen freien Huutsi misshandeln. Du wirst aber sicher verstehen, dass ich zuerst die Armee wieder auf Vordermann bringen muss, um jeden Angreifer von vorneherein abzuschrecken. Niemand darf auch nur auf die Idee kommen, er könnte Erfolg haben, wenn er uns angreift. Danach wird dem Volk alles wieder zur Verfügung stehen wie ehedem, und es wird mich für meine Weitsicht preisen, auch wenn es sich momentan etwas einschränken muss.«
Koroh lachte hart. »Schöne Worte, hinter denen nichts steckt. Jeder weiß, dass du die Waffen produzieren lässt, um die sagenhaften Fliegenden Städte zu erobern. Ich weiß es am Allerbesten. Du hast es schließlich oft genug gesagt. Und du missbrauchst das Volk für deine persönlichen Ziele. Noch weitaus stärker, als Banyaar das getan hat. Yao, ich hätte das niemals für möglich gehalten. Du warst einmal ein wirklicher Freund und ich habe dich für deinen Mut und deine Entschlossenheit bewundert. Aber jetzt graut mir vor dir. Die Konferenz wird deinem Treiben Einhalt gebieten.«
Nach diesen harten Worten ging Koroh grußlos.
»Die Götter sind mit mir!«, tönte es hinter ihm her. »Sie leiten mich, Koroh, verstehst du? Ich habe hier im Palast die Uni-Regeln gefunden, das heilige Buch der Huutsi. Darin steht, dass ich ausersehen bin, die Huutsi zu neuer Blüte zu führen. Willst du es sehen?«
Als er das laute, fast irre Lachen hinter sich hörte, lief es Koroh eiskalt den Rücken hinunter. Angst hatte er dennoch nicht. Niemals zuvor hatte sich ein Huutsi am Schamanen vergriffen.
***
Todeswüste, Anfang Mai 2524
»Hast du gut geschlafen?«, fragte Grao, der die ganze Nacht über gewacht hatte. Er zeigte sich wieder in seiner natürlichen Echsengestalt.
Daa’tan streckte sich gähnend. Er stand im Schatten des Felsens, denn die Sonne besaß schon frühmorgens enorme Kraft. »Ja, ganz gut. Aber ich hatte einen seltsamen Traum.«
»Tatsächlich?«
»Ja. Ich hab geträumt, ich wache auf und neben mir sitzt ein wunderschönes Mädchen mit schwarzen Haaren.«
»Hat sie dir gefallen?«
Daa’tan grinste. »Im Prinzip schon. Aber irgendwie mag ich blonde Frauen lieber.«
Nach einem ausgiebigen Frühstück zogen sie weiter. Bald mussten sie feststellen, dass die Felsen und der Boden die Hitze so stark speicherten und reflektierten, dass sie sich wie in einem Glutofen vorkamen. Als Daa’tan mit der Hand versehentlich einen Felsen berührte, zuckte er zurück. »Aua«, sagte er und starrte auf die Brandblase, die sich zu bilden begann. Da sich die Unwilligkeit der Kamshaas aber im normalen Rahmen bewegte, beschlossen sie, trotzdem tagsüber zu reisen, weil es durch die Tiere genügend Schatten gab.
Daa’tan freute sich, dass hier mehr Vegetation gedieh, als er das anfangs für möglich gehalten hätte. Dürre Bäume, Büsche, Kakteen und einzeln wachsende Blumen hatten sich an die lebensfeindliche Umgebung angepasst. Bis auf die Vögel hatten die beiden Reisenden allerdings noch keine anderen Tiere zu Gesicht bekommen.
Sie schonten die Wasservorräte, indem Daa’tan seine Pflanzenkräfte einsetzte, um den Kakteen ihre Feuchtigkeit zu entziehen. Völlig ausgedorrt blieben sie wie mahnende, verkrüppelte Finger hinter ihnen zurück.
Eine Woche später marschierten sie parallel zu einem mächtigen Gebirge, das sich weit östlich von ihnen bis zum Horizont und wohl auch darüber hinaus erstreckte. In der Bergkette gab es mindestens zwei aktive Vulkane, die allerdings nur schwach rauchten. Plötzlich hielt Grao sein Kamshaa an. Er
Weitere Kostenlose Bücher