218 - Nefertari
machen. Ich bin neugierig.« Er verzog das Gesicht und schwang Nuntimor. »Und außerdem gibt es diese Monster nur, weil ihr Daa’muren blödsinnige Experimente gemacht habt. Ich habe dir das Leben gerettet, Grao, also könntest du mir ruhig dankbar sein.«
»Ich kann mich sehr gut meiner Haut wehren«, gab Grao verstimmt zurück, lenkte aber nach kurzem Zögern ein: »Ich danke dir für deine Bereitschaft, einzugreifen. Damit hast du Mut und Kampfeswillen bewiesen. Auch wenn das unsere Lage nicht unbedingt verbessert hat..«
***
Pi Ramesse, neue Hauptstadt des ägyptischen Großreiches
1260 bis 1258 v. Chr.
Nefertari, nun fünfzig Erdenjahre alt, schritt durch die endlos lange Säulenhalle des gigantischen Königspalastes in Pi Ramesse. Der Palast lag hoch auf einem Hügel und gewährte weite Blicke über den Nil und seine grünen Auen sowie das sonnenverbrannte Land dahinter. Doch der Blick der Königin verlor sich in der neuen Hauptstadt, die sich fast endlos auf beiden Seiten des Nils erstreckte. Die goldenen Dächer der zahlreichen Tempel funkelten in der Sonne, in den Armenvierteln dazwischen brannten die Mistfeuer. An den Kais schaukelten Schiffe in den Wellen, Zehntausende von Menschen aus allen Teilen der bekannten Welt waren in den Straßen unterwegs. Sie bildeten ein farbenprächtiges Gewimmel.
Nefertari hätte zufrieden sein können, doch sie war es nicht. Große Sorge drückte auf ihr Gemüt. Gut, Ramses und sie selbst befanden sich auf dem Höhepunkt ihrer Macht. Überall im Land entstanden die mächtigen Bauten, die Ramses so sehr liebte, denn er neigte in jeder Beziehung zum Gigantismus. Babylonien, Assyrien und die Hethiter hielten Frieden, keine der anderen Großmächte wagte es mehr, Ägypten herauszufordern. Das taten nur noch die kleineren Länder, in erster Linie die im Süden beheimateten Nubier. Der nubische König Kaptah hatte mit seinen Truppen das ägyptische Grenzland verheert und zwei ägyptische Grenzfestungen dem Erdboden gleichgemacht, weil ihm die beiden Tempel von Abu Simbel, die Ramses auf von Nubien beanspruchtem Gebiet bauen ließ, ein Dorn im Auge waren. Momentan war Ramses mit der Amun- und der Seth-Division im Süden, um Kaptah, diese überaus lästige Schmeißfliege, ein für allemal in die Schranken zu weisen. Nach dieser Schlacht würden die Nubier nie wieder ein Problem darstellen.
Nefertari, die zum vierundzwanzigsten und wohl letzten Mal schwanger und deswegen in Pi Ramesse geblieben war, interessierte der Nubierkrieg allerdings nur am Rande. Sie stand hinter einer Säule und blickte auf den besonders prächtigen Tempel am Ufer des Nils, dessen Säulen und Mauern fertig, aber noch ohne Dach waren. Und das würde auch so bleiben. Ihr Sohn Mosa hatte diesen Tempel bauen wollen, aber sie hatte es ihm energisch verboten.
Wenn man von Seth spricht… (Seth: ägyptischer Gott des Krieges, Mörder des Osiris und damit Symbolfigur des Bösen)
Mosa kam ihr entgegen, umgeben von gut einem Dutzend verweichlichter Höflinge. Der Einundzwanzigjährige trug nur einen kurzen Lendenschurz und hielt eine Flöte in der Hand. Sein schwammiger Körper zeigte, dass er sich dem körperlichen Training, das seine Eltern für ihn vorgesehen hatten, erfolgreich entzog. Mosa hatte sich wie die Weiber, die ihn umgaben, das Gesicht und den kahl geschorenen Kopf orangerot bemalt. Er sah geradezu lächerlich aus.
»Meine liebe Mutnedjemet«, sagte er gerade zu einem höchstens zehnjährigen Mädchen, »wenn mein Vater Ramses die Sonnenbarke besteigt und ich dereinst Pharao werde, was nicht mehr allzu lange dauern kann, werde ich dich zu meiner Großen Königlichen Gemahlin erheben. Vorausgesetzt, du teilst heute Nacht das Lager mit mir.«
Das Mädchen kicherte verlegen und die Schranzen um Mosa lachten laut. Sie machten obszöne Gesten. Nefertari verzog angewidert das Gesicht.
»Und mehr noch, meine verehrungswürdige Mutnedjemet, der ich heute Nacht die Unschuld rauben will und werde. Du sollst nicht nur meine Hauptfrau werden, sondern auch noch die Oberste Priesterin des Gottes Aton, den ich wiederbeleben und erneut zum Hauptgott des Reiches machen werde.«
Nefertari fühlte Wut in sich hoch steigen. Genau das war es, was ihr so große Sorge bereitete. Mosa war ein Anhänger des verfluchten Pharaos Echnaton und dessen Friedenslehre, die sich als völlig untauglich erwiesen hatte. Weder der Name Echnatons noch der seines Gottes Aton durften je wieder von einem Ägypter in den Mund
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