2182 - Der THOREGON-Plan
Ortung vernachlässigt und sich ihren ureigensten Überlegungen hingegeben. Mehr als tausend fremde Raumer hatten sich im Kurs der MAHAGOUL formiert. Die Abfangformation war eindeutig. Anyantes mit den Ortungen verbundenes Bewusstsein registrierte jedes Detail und leitete es weiter. In dem Moment war sie wirklich Teil des Schiffs, ein Mosaikstein von vielen, deren Zusammenspiel alle Funktionen dezentralisierte. Aber sie hatte sich ablenken lassen und zu spät reagiert. Ihr Fehler war unverzeihlich. Der Angriff wurde heftiger. Strukturrisse zuckten wie düstere Blitze durch das Chaos der tobenden Energien.
Rückzug von allen Verbindungen, wisperte eine Stimme in ihren Gedanken. Die MAHAGOUL stand kurz vor dem neuen Überlichtflug. Dennoch zögerte Anyante. Sie wollte herausfinden, warum die Fremden ohne vorangegangenen Kontaktversuch angegriffen hatten, und sie wollte ihren Fehler tilgen ... Der Übertritt des Schiffs wurde für sie wie der Sturz in endlose Tiefe.
Erschrecken und Panik quälten sie, und dann war da nur noch eine dumpfe Ahnung der eigenen Existenz.
Annähernd 500 Millionen Lichtjahre lagen hinter der MAHAGOUL, als sie im Halo der Kugelgalaxis Segafrendo den letzten Orientierungsstopp einlegte.
Le Anyante war wütend auf sich selbst. Nicht nur, dass ihr Fehler an der Ortung lebensgefährlich gewesen war, die Mediziner hatten ihr eine längere Ruheperiode verordnet. Es war völlig anders, mitten im Geschehen zu stehen, als nur über Holo daran teilzuhaben. Zugleich saß die Verwarnung des Kommandanten tief.
Die MAHAGOUL hatte den PULS mit klar umrissenem Auftrag verlassen: beobachten, aber jeden Kontakt vermeiden, weder mit den Völkern in Segafrendo noch mit der Superintelligenz ESTARTU. Das konnte unmöglich alles sein. Bis vor wenigen Tagen hatte die Ortungstechnikerin nicht darüber nachgedacht. Als Le Anyante sah sie das völlig anders. Eine versiegelte Order, deren Inhalt erst jetzt zugänglich wurde, sprach von der „NACHT" als Ziel der Expedition, eingebettet in die „Feuer von Hesp Graken".
Tage vergingen. Die MAHAGOUL flog unter vollem Ortungsschutz.
Jedes Detail verfolgte Le Anyante von ihrer Kammer aus. Es gab keine aktive Tastung, keinen Funkverkehr. Fremde Raumschiffe wurden nur aufgrund ihrer Emissionen erfasst, aber darüber hinaus nicht beachtet.
Dann die Überraschung. Obwohl Anyante begonnen hatte, die Fakten zu einem leidlich schlüssigen Bild zu ordnen. Vor dem Fernraumschiff wuchs ein unüberschaubarer Wall aus Energie, einer ins Gigantische vergrößerten Sonne gleich: die Feuer von Hesp Graken. Kaum anders als die Glutzone im Grenzbereich von Mahagoul und Mahlstrom, aber mit 2360 Lichtjahren Durchmesser nur halb so groß. Anyantes Versuch, den Dienst wieder anzutreten, misslang. Körper und Geist waren noch nicht wieder zu einer Einheit verschmolzen, ihre Bewegungen wirkten schlecht koordiniert.
Vielleicht, erkannte sie betroffen, bin ich nur Gast in diesem Körper. Oder ein Eroberer, der den rechtmäßigen Geist verdrängt hat. Die Vorstellung, dass es so sein könnte, war entsetzlich.
Zum ersten Mal hätte sie selbst Hilfe benötigt. Doch ihr Ehrgeiz ließ nicht zu, dass sie einen der Fundament-Stabilisatoren zu sich rief. Verbissen versuchte sie, die eigenen Schwächen auszuloten. Die MAHAGOUL flog in die Glutzone ein. Deshalb also war ihr Rumpf mit dem Netz überzogen worden; THOREGON hatte von Anfang an gewusst, was die Expedition erwartete.
Zumindest in groben Zügen. Die Feinarbeit blieb den Algorrian überlassen. Die Feuer von Hesp Graken bargen tatsächlich einen PULS in ihrem Innern. Obwohl die NACHT, wie THOREGON den extrauniversalen Bereich genannt hatte, nur 0,42 Lichtjahre durchmaß, erwies sie sich in ihren physikalischen Eigenschaften dem PULS von Mahagoul identisch. „An diesem Ort", meldete der Kommandant überraschend, „will THOREGON einen Mega-Dom installieren lassen. Unsere Messungen entscheiden darüber, ob der Transport bald vonstatten gehen wird." Das also war es ... Die Superintelligenz plante in Zeiträumen, die sterblichen Wesen verschlossen blieben. Kein Algorrian hätte über 390.000 Jahre hinweg auch nur die Spur eines Zusammenhangs erkannt. So lange lag es zurück, dass THOREGON den Anstoß zum Bau der Brücke gegeben und mit der Forderung nach großen Brückenpfeilern nachgebessert hatte. Le Anyante wünschte, sie hätte sich mit Curcaryen besprechen können. Aber damit musste sie wohl oder übel bis zur Rückkehr der Expedition
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