2186 - Der neue Souverän
Geduldig wartete er, bis Lakaien die Leiche entfernt hatten und der Stellvertreter des Admirals den Platz seines ehemaligen Vorgesetzten eingenommen hatte. Seines Vorgängers. Er verspürte Erleichterung und Bedauern, weil alle anderen Anwesenden die Lektion begriffen hatten und die Köpfe gesenkt hielten. Diese neue Regel gehörte zu den einschneidenden. Veränderungen, die er nach der Machtübernahme sofort in die Wege geleitet hatte. Die Inquisition der Vernunft sollte für die Völker Tradoms unfassbar werden, zu einem allmächtigen Mythos, der einerseits nicht greifbar war, andererseits aber jederzeit zuschlagen konnte. Und sie hatten unverzüglich begonnen, an ihrem eigenen Mythos zu arbeiten.
Allein hoch gestellte Untertanen durften noch über ihre Existenz Bescheid wissen. Wichtige Systeme wie etwa Trapitz, Kaaf oder Rifa wurden durch gezielte Desinformation aus dem öffentlichen Bewusstsein entfernt. Die Festung der Inquisition trat nur noch selten in Erscheinung und nahm eine geheime Position ein. Lediglich Symbole wie Sivkadam, die Folterwelt der Inquisition, sollten in der Öffentlichkeit präsent bleiben. Er sah zu Corona hinüber, seiner Ersten Inquisitorin. Nun gab es nicht mehr zehn Inquisitoren, sondern nur noch sieben, nämlich die genetisch erzeugten Mentalsauger unbekannter Herkunft, die so waren wie er. Ihm lag nichts. an ihnen, mit Ausnahme von Corona natürlich. Doch eine Galaxis wie Tradom war nicht allein zu beherrschen. Sogar er brauchte Verbündete, und die hatte er in seinen Gefährten gefunden. In Corona, Sebastian, Thomkin, Hutkin, Sariocc, Snider und Serleach. Er spürte, dass ihn irgendetwas mit ihnen verband, auch wenn er nicht mehr wusste, was dies sein konnte. Doch zumindest waren sie alle Fleisch von einem Fleisch, Geist von einem Geist, und das genügte ihm.
Kann ich ihnen vertrauen?, fragte er sich. Kann ich Corona vertrauen? Ich habe etwas für sie empfunden, was wohl Liebe war, aber beruht das auf Gegenseitigkeit? Hat auch sie diese eine Empfindung mit in ihr neues Dasein gerettet? Er atmete schwer aus. Die Inquisition der Vernunft muss keine Konkurrenz in Tradom fürchten. Höchstens die aus dem eigenen Lager. Höchstens vielleicht Corona ...? Der neue Supernova-Admiral der Valenter räusperte sich. Er war nun bereit, das vorzutragen, was schon sein Vorgänger hätte vortragen sollen. „Ich höre", sagte November huldvoll. „Wir haben auf einem Planeten namens Linckx eine späte Hinterlassenschaft des Krieges entdeckt, der zur Auslöschung der Thatrix-Kultur führte", sagte der Admiral.
Ein völlig unwichtiger Sachverhalt, dachte der Souverän, schwieg jedoch. Niemand würde es wagen, die Führung der Inquisition mit unwichtigen Details zu behelligen. „Was für eine Hinterlassenschaft?"
„Ein höchst seltsames Wesen, das sich selbst als Rishtyn-Jaffami bezeichnet." Rishtyn-Jaffami ... Dieser Name brachte in November irgendetwas zum Klingen. So als hätte er in einem früheren Leben schon einmal mit dem Wesen Bekanntschaft gemacht oder zumindest etwas darüber gehört. Gelegentlich hatte er solche Augenblicke, in denen unzusammenhängende Erinnerungsbruchstücke aufblitzten. Etwa, wenn er aus heiterem Himmel an L'Erics dachte, ihrer aller Heimat. Aber L'Erics war immer unfassbar für ihn geblieben. Mehr als eine vage Vertrautheit, Verbundenheit konnte er nicht mit dem Begriff assoziieren. „Warum berichtest du mir das?" Er sprach schneidend scharf. Sterben musste auch, wer die Zeit eines Inquisitors verschwendete. „Rishtyn-Jaffami leistet den E'Valentern des Reichs bemerkenswert ausdauernd Widerstand."
„Was soll das heißen?"
„Rishtyn-Jaffami hat über einhunderttausend E'Valenter einfach verschwinden lassen."
„Warum erfahre ich erst jetzt davon? Was ist das für ein Wesen?" Vor ihm bildete sich ein Hologramm. Es zeigte eine Art Innenhof, in dem sich meterhoch eine Masse ausbreitete, die für November aussah wie Gallert aus dem Gedärm von Fischen. Aus der grauen Substanz erwuchsen weiße und schwarze Flecken. Ein Tentakel bildete sich aus, tastete über den halben Raum hinweg nach dem Aufnahmegerät ... und das Bild, das das Holo zeigte, erstarrte. „Habt ihr eine Erklärung für das Verschwinden so vieler Soldaten?"
„Rishtyn-Jaffami verfügt zwar über mächtige Krieger, doch sie haben dabei keine Rolle gespielt."
„Was für Krieger?"
Ein neues Holo entstand. Es zeigte ein Wesen, das November auf den ersten Blick faszinierte.
Das Geschöpf war
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