21st Century Thrill - Mind Games
alte Freundin an. Aki lässt durchblicken, dass sie ausgepumpt ist. Ellen, Spezialistin für Psychopharmaka, bietet Hilfe an. Aki muss nicht zum Arzt gehen und niemand kriegt mit, dass sie mal eine Zeit lang Tabletten nimmt, um auf Touren zu kommen.“
Kris musste zugeben, dass da etwas dran war. Er traute Aki zwar keine Psychose zu. Aber man konnte nie wissen. Mit den psychischen Störungen schien es so zu sein wie mit Durchfall oder Kopfweh: Es konnte einfach jeden erwischen. Ein Durchhänger. So was kam vor.
Es erklärte jedoch nicht, warum eine Handvoll Dreckskerle Aki gekidnappt hatte.
„Apropos Heißhunger“, mischte Jon sich ein. „Der letzte Börek ist schon wieder ewig her. Ich muss mir was zwischen die Kiemen schieben. Wie sieht’s bei euch aus?“
„Gute Idee.“ Val stand auf.
„Ich bleibe hier“, sagte Kris. „Ich muss nachdenken. Bringt mir was mit.“
Kapitel 14
DIENSTAG
Mitternacht war vorbei. Val war längst heimgegangen. Kris lag auf dem Sofa im Arbeitszimmer von Jons Vater und starrte durch das Fenster in einen grau-orange farbenen Himmel, der nicht richtig dunkel werden wollte. Die Hitze und die Angst um Aki versetzten ihn in einen Ausnahmezustand. Alle halbe Stunde fuhr er aus dem Halbschlaf hoch und stellte fest, dass er in der Wärme zitterte. Er hörte Jon in seinem Zimmer leise schnarchen. Ein leichter Luftzug wehte durch die Wohnung.
Das Schlimmste war: Immer wieder ging Kris durch den Kopf, er könnte sich den Überfall nur eingebildet haben. Aber was war mit den Kameras? Der aufgebrochenen Tür? Mit Vals Behauptung, jemand wäre auf seinem Rechner gewesen? Und was hatte Aki so übel verändert?
Schließlich schaltete er das Licht an und las mehr über Psychosen. Die Patienten hatten Wahnvorstellungen und hörten Geräusche, die eigentlich gar nicht da sein konnten. Doch bevor ihre Wirklichkeitswahrnehmung massiv gestört war, klagten die Psychotiker zunächst über ganz normale Sachen: Sie konnten schlecht oder gar nicht schlafen, waren ständig gereizt und zogen sich von ihrer Umwelt zurück. Kris rieb sich die Augen. Das war nicht Aki.
Oder war es doch Aki? Hatte sie sich womöglich monatelang mit Tabletten auf den Beinen gehalten?
Als Kris die Nebenwirkungsliste durchcheckte, die Val ausgedruckt hatte, fiel ihm auf, dass manches auf die Aki zutraf, wie er sie nach dem Landschulheim erlebt hatte: vor allem ihre Müdigkeit und Lustlosigkeit. Beides war sonst absolut untypisch für seine Schwester. Kris las, dass Neuroleptika als häufige Nebenwirkungen Tremor und Muskelverkrampfungen hervorriefen. Er googelte nach „Tremor“ und fand als Erklärung „Zittern“. Er erinnerte sich, wie Akis Finger gebebt hatten, als sie auf dem Sofa lag und dieses Buch in der Hand hielt. „Krisen überwinden“. Sie las nicht mal. Sie lag bloß da, mit dem Buch in der Hand, und glotzte an die Decke.
„Trotzdem passt es nicht zu Aki“, dachte Kris laut.
Er griff nach seinem Rucksack und kippte den Inhalt auf den Teppich. Ganz unten, in seinem Waschbeutel, lagen die drei Pillen, die im Landschulheim rumgegangen waren. Speed. Ein paar von den Jungs und natürlich Val hatten ein großes Gewese darum gemacht, wo das Zeug herkam. Kris, der Langweiler, hatte sich damit begnügt, seinen Klassenkollegen zuzusehen, wie sie sich mit ein bisschen Chemie im Blut zum Affen machten. Gut drauf sein, das war einfach, wenn man ein klein wenig nachhalf. Um mal abzuspannen.
Kris betrachtete die Tabletten auf seiner Handfläche.
Vielleicht sollte er eine schlucken. Nur eine. Um die quälenden Gedanken auszuschalten. Die Pillen waren winzig und rund und so leicht, dass er sie in seiner Hand nicht mal spürte.
Genervt warf er sie zurück in den Waschbeutel.
Erst früh am Morgen schlief er ein.
Auf dem Weg zu Glinka InterLabs stoppten Kris, Jon und Val in der Polizeidirektion. Kommissarin Meixner hatte nichts Neues zu berichten.
„Wenn deine Schwester entführt wurde, sollte sich irgendjemand melden und eine Forderung stellen, oder?“
Kris zuckte die Achseln. Er konnte sich nicht vorstellen, wer eine Forderung hätte, denn im Grunde genommen war sein und Akis Erspartes so gut wie aufgebraucht. Von ihren Eltern hatten sie kaum etwas geerbt. Aki schuftete, um genug Geld für sie beide zu verdienen. Kris fiel wieder ein, dass er vorgehabt hatte, sich für die Sommerferien einen Job zu suchen.
Frau Meixner befragte ihn nach Akis Bekannten und Freunden, nach Arbeitskollegen in der Werbeagentur,
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