21st Century Thrill - Mind Games
Tabletten ran, die sie so fit machten, dass sie locker 48 Stunden durchrödeln konnte. Er dachte an das Speed, das mir nichts, dir nichts aus der Schlafmütze Jon einen kichernden Komiker gemacht hatte.
„Aki hat auch ein hartes Programm“, versuchte er die Kurve zu kriegen.
„So war sie schon immer. Aber wem sage ich das: Du bist ihr Bruder.“
Die Getränke kamen. Ellen griff sich ihr Glas und nahm einen großen Schluck.
„Sie hat immer erreicht, was sie wollte. Aber … wie soll ich sagen … das hat natürlich seinen Preis. Eigentlich bin ich froh, dass du mich ansprichst.“
„Was meinst du damit?“
„Sieh mal.“ Ellen beugte sich vor und sah Kris direkt in die Augen. „Hast du es nicht bemerkt?“
„Was bemerkt?“
„Aki hat sich verändert. Ist reizbar geworden. Es ist nicht so leicht mit ihr auszukommen.“
Kris brach der Schweiß aus. Ellen war die Veränderung an seiner Schwester aufgefallen.
„Aber – warum?“, brachte er heraus.
„Sie hat sich zu viel zugemutet. Wäre ja kein Wunder.“
Kris verstand nur Bahnhof.
„Aki ist ein sensibler Mensch. Nicht wahr?“, fragte Ellen geduldig.
Er nickte.
„Eben. Sensible Menschen sind nun mal anfälliger als andere für bestimmte Probleme. Sie entwickeln Symptome, die bei einem hartgesottenen Typen nicht auftreten.“
Kris hielt seine Schwester für ziemlich hartgesotten.
„Wer dünnhäutig ist, läuft Gefahr, irgendwann auszubrennen. Solchen Leuten geht alles unheimlich nahe. Sie verrennen sich in irgendwas, widersprechen sich ständig, kommen mit den Ansprüchen, die sie an sich haben, nicht mehr zurecht.“
Ellens Vortrag klang verdächtig nach Herrn Barnfelder.
„Irgendwann sind diese Menschen Argumenten nicht mehr zugänglich. Du kannst ihnen hundertmal erläutern, dass sie mal eine Pause machen sollen, dass sie die Krise, die sie durchleben, nutzen müssen, um klarer zu sehen – du beißt auf Granit.“ Sie zuckte die Achseln. „Menschen, die an einem Wahn leiden, sind unfähig, die Perspektive zu wechseln. Sie sehen die Welt und sich selbst in einer einzigartigen Weise, die niemand sonst mit ihnen teilt.“
„Wahn?“, krächzte Kris.
„Sie bilden sich zum Beispiel ein, ihre Nachbarn würden sie mit Laserstrahlen beschießen.“
„Wir haben keine Nachbarn.“
„Bloß als Beispiel. Du kannst ihnen ihre Überzeugungen nicht ausreden!“
„Aki ist ein Draufgängertyp“, widersprach Kris.
„Stimmt, bei ihr sieht alles mühelos aus. Schon in der Schule. Gute Noten in allen Fächern: kein Thema für Aki. In Sport ein As: eine Selbstverständlichkeit. Andere mussten sich krummlegen, um so weit zu kommen.“ Sie sah Kris freundlich an. „Ich verstehe, dass dich Akis Zustand verstört. Aber es gibt Medikamente …“
„Was für Medikamente?“
„Ich spezialisiere mich gerade in diesem Bereich. Mit Neuroleptika kann man den psychotischen Patienten das Leben erleichtern. Der Wahn wird gemildert, und irgendwann sagen die Betroffenen, dass sie sich gar nicht mehr vorstellen können, jemals so abgedrehte Gedanken gehabt zu haben.“
„Aber Aki hat noch nie …“
Ellen beugte sich vor. „Deswegen will ich promovieren. Den Dingen auf den Grund gehen.“
„In unserer Familie gibt es keine Verrückten.“
Ellen hörte überhaupt nicht zu. „Wenn man gut ist, bekommt man eine Stelle in der Forschung. Da macht man richtig Geld.“
„Ist doch auch stressig, oder? Zwei Jobs auf einmal.“
„Was meinst du?“ Ellens Augen flackerten.
„Aki erzählte, du hättest sie auf dem Boot besucht, weil du an einem Burn-out leidest.“
„Nonsens!“ Ellen lachte laut auf.
„Du meinst, Aki hat sich das ausgedacht?“
„Ich wollte ein paar Tage raus aus allem. Manchmal habe ich einfach zu viel um die Ohren. Dann schalte ich mal kurz ab, und danach ist alles wieder im Lot. Aki hat das überinterpretiert.“
Misstrauisch musterte Kris sein Gegenüber. Ellens Klamotten sahen teuer aus.
„Wenn du deine Doktorarbeit fertig hast“, fragte Kris, „wirst du neue Medikamente entwickeln?“
Ellen trank ihr Glas leer. „Ich glaube eher nicht. Mein Interesse liegt in der Grundlagenforschung.“
„Aber die Arzneimittel haben auch reichlich Nebenwirkungen, oder? Tina, ein Mädchen aus meiner Klasse, hatte Prüfungsangst und bekam Tabletten. Aber sie war meistens total müde.“
Ellen winkte der Bedienung. „Manchmal muss man das in Kauf nehmen. Ich habe Aki vorgeschlagen, sich in Behandlung zu begeben. Weil sie nämlich
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