21st Century Thrill - Mind Games
vorbeischauen? Vielleicht ist Val dort“, schlug Jon vor.
Kris atmete tief durch, versuchte, sich wieder zu beruhigen. Okay, beschloss er dann. Vorerst keine Pille.
Kapitel 19
Die Sonne brannte. Nach und nach gewöhnte sich Kris an den Rummel auf der Straße, an den Lärm, die vielen Leute. Typen, die Hunde ausführten, ein Vater mit einem nörgelnden Kleinkind, Mädchen in kurzen Röcken, die Eis schleckten und die Köpfe zusammensteckten.
Wenn Aki zurückkommt, dachte Kris plötzlich, wollen wir dann eigentlich noch auf der Susanna leben? Oder doch lieber direkt nach Berlin ziehen, nicht mehr so abgeschieden wohnen?
Was, wenn sie nicht zurückkommt?
Angenommen, Aki hatte eine Psychose und stand durch den Überfall so unter Schock, dass sie in den Wald abgehauen war? Obwohl es unwahrscheinlich war? Sogar total unwahrscheinlich? Aber hieß Realitätsverlust nicht genau das? Dass Psychotiker unlogische Dinge taten, die einem Gesunden nie einfallen würden? Kris musterte die Leute auf der Straße. Sie machten normale Dinge, kauften etwas, guckten in Schaufenster, hasteten über die Straße, suchten Parkplätze, stritten, lachten, unterhielten sich, bissen in einen Döner.
Worin bestand die Realität für diese Menschen? Hatte nicht jeder seine eigene? Die Mädchen mit den Eistüten zum Beispiel, die ätzend albern herumkicherten: Wie sahen sie die Welt? Vermutlich anders als das Kleinkind oder der Flötist, der immer noch lausig spielte. Wie konnten die Ärzte auf den Webseiten von Realitätsverlust sprechen? Wie konnten sie beurteilen, ob jemand die Realität falsch wahrnahm – wenn doch jeder seine eigene hatte? Und hatte er nicht gesehen, wie sie Aki wegschleppten? Oder war dieser Eindruck lediglich für einen kurzen Augenblick seine Wirklichkeit gewesen?
Bei Frances lud Kris als Erstes Herrn Laskys Handy auf. Es war ihm peinlich, es vor Jon aus der Tasche zu ziehen, die PIN einzugeben und mit dem Geld seines Vaters zu bezahlen. Half aber alles nichts. Während Frances kassierte, tippte Kris Akis Handynummer. „Hi! Dies ist Akis AB. Hinterlasst mir eine Nachricht.“
„Val ist hinten im Garten. Hat sich einen Schattenplatz gesucht“, grinste Frances.
Zu seinem Café gehörte ein Innenhof, den er aber nicht bewirtschaften durfte. Die Anwohner waren dagegen. Sie wollten keinen Kneipenlärm. Privat konnte Frances sich dort aber aufhalten, und er hatte Val, Jon und Kris schon vor Wochen den Garten als Treffpunkt angeboten.
Der Innenhof war übel zugerichtet. Schrott lag herum, alte Bierfässer lehnten schief in einer Ecke und unter dem Vordach stapelten sich ausrangierte Caféstühle. Val hatte es sich auf der Hollywoodschaukel bequem gemacht. Sie trug ausnahmsweise einen Rock. Auf ihrem Schoß thronte das Notebook. Kris wollte den Blick gar nicht mehr von ihrem weißen Top wenden, unter dem sich ihre Brüste überdeutlich abzeichneten. Er lief gegen einen Stapel Leergut und konnte gerade noch verhindern, dass der ganze Krempel umkippte.
„Hi, Boys“, sagte Val. „Update?“
Weder Kris noch Jon wollten durchblicken lassen, dass sie sich nur zu gern zu Val auf die Hollywoodschaukel setzen würden. Auf Polster, die im Laufe der Jahre zu einem scheußlichen Rosa verblichen waren. Schließlich entschieden sie sich jeder für einen Klappstuhl. Sie setzten sich vorsichtig. Nichts sah hier besonders stabil aus.
„Mein Vater ist heute Morgen plötzlich aufgekreuzt“, begann Jon. „Hat den Bullen mächtig eingeheizt.“
„Sie müssen sich jetzt zweimal täglich melden und durchgeben, ob sie was rausgefunden haben“, fügte Kris hinzu.
„Habt ihr meine Ausdrucke über Glinkas Labor gelesen?“, wollte Val wissen.
Kris und Jon sahen einander an. Keiner von ihnen wollte riskieren, von Val abgekanzelt zu werden.
„Habe ich mir fast gedacht.“ Ihr Ton wurde ungemütlich. „Also, hört zu, in Stichpunkten: Glinka InterLabs ist spezialisiert auf die Erforschung von Psychopharmaka. Sie entwickeln neue Medikamente gegen psychische Erkrankungen. Und zwar vor allem für Kinder und Jugendliche.“
„Knallen jetzt schon Kinder durch?“, fragte Jon ungläubig.
„Schon mal von ADHS gehört?“
Jetzt konnte Kris punkten. „Aufmerksamkeitsdefizit, Hyperaktivitätssyndrom“, rasselte er herunter. Es war eines von Herrn Barnfelders Lieblingsthemen während der Projektwochen gewesen.
„Gut, Kris“, lobte Val.
Kris wurde rot. Endlich lief mal was rund. „ADHS-Kinder sind reizbar, zappelig, können
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