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22 - Im Reiche des silbernen Löwen III

22 - Im Reiche des silbernen Löwen III

Titel: 22 - Im Reiche des silbernen Löwen III Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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Sorge um meinen Halef auf mir gelastet hatte. Jetzt teilte sich die unheilschwangere Wolke, und ein lichter Strahl gab mir die Hoffnung wieder!
    „Sind die Boten denn schon zurück?“ erkundigte ich mich.
    „O nein! Sie sind mit dem jungen Scheik der Haddedihn nur bis zu einem Duar gekommen, welcher fast drei Tagesritte von hier liegt. Da müssen sie bleiben, um sich zu erholen. Auch ihre Pferde konnten nicht weiter! Der Sohn, welcher kommt, um seinen Vater womöglich noch lebend anzutreffen, hat weder sich noch sie geschont. Nur die Rücksicht auf sein abgetriebenes edles Pferd hat ihn vermocht, eine volle Nacht in jenem Duar zu bleiben, damit es einmal länger ruhen könne. Aber er hat sogleich nach seiner Ankunft dort zwei Boten vorausgesandt, von denen ich erfuhr, daß er heut abend sicher kommen werde.“
    „Warum sagst du mir das erst jetzt?“
    „Weil ich es selbst nicht früher wußte. Der Vorsprung, den sie vor ihm hatten, wird durch die Eile, mit welcher er ihnen folgt, derart ausgeglichen, daß er nur ganz kurze Zeit nach ihnen hier einzutreffen gedenkt. Nun siehst du die Lichter, welche sich da unten im Tal bewegen. Es versammelt sich da eine Schar meiner Dschamikun, um den beiden entgegenzureiten.“
    „Den – beiden? Sind es zwei?“
    „Ja.“
    „Wer noch, außer ihm?“
    „Ein Haddedihn, welcher nicht zu Pferd mit ihm kommt, sondern sich zweier Eilkamele bedient, um mit ihnen wechseln zu können.“
    „Wie heißt er?“
    „Das weiß ich nicht. Die Boten waren über seine Hedschan (Reitkamele) der Bewunderung voll; sie versicherten, noch nie im Leben so herrliche Tiere gesehen zu haben.“
    „Tragen diese Kamele etwa einen Tachterwahn (Kamelsänfte)?“
    „Nein. Meinst du, daß der junge Haddedihn eine Frau mitbringt? Es gibt kein Weib, welches, selbst in der Sänfte, eine solche Anstrengung auszuhalten vermöchte. Die Boten sagten, der Begleiter Kara Ben Halefs scheine ein vornehmer Christ zu sein, der zwar wenig, aber sehr gebieterisch spreche. Er trage eine blaue Brille und darunter noch einen blauen Schleier, um seine Augen zu schützen. Wahrscheinlich sei er einer der gelehrten Abendländer, welche nach der Dschesireh kommen, um in den dortigen Ruinen alte Ziegel auszugraben. – Nun sag, hat dich diese Nachricht aufgeregt?“
    „Nein. Um aufgeregt sein zu können, bin ich wohl noch zu schwach. Wir stehen vor einer Entscheidung. Fällt sie ungünstig aus, so trifft sie mich nicht unvorbereitet, und ich weiß, daß das Leben des Menschen nicht mit dem Tod aufhört. Selbst wenn Hadschi Halef stürbe, würde er mit unverloren bleiben. Die Nachricht von der Ankunft seines Sohnes erfüllt mich mit herzlicher Freude. Das Wiedersehen wird nicht schädlich auf mich wirken.“
    „So bin ich beruhigt. Ich kam, dich vorzubereiten. Ich weiß, daß du wohl viele Fragen hast, deren Beantwortung du dir wünschst. Mein Peder wird das gern tun. Ich sorge für die Seelen unserer Dschamikun; alles andere ist in seine Hand gegeben.“
    Er erhob sich, strich mir mit der Hand wie liebkosend über das Haar und kehrte dann nach dem Innern des Gebäudes zurück. Bei dieser Berührung meines Hauptes hatte ich wieder das Gefühl, als ob dabei eine gütige, reine, nicht materielle Kraft durch mein ganzes Wesen gehe. Kann man den von einem wohlwollenden Menschen ausgehenden Segen in dieser Weise fühlen? Oder gibt es ein uns noch unbekanntes Fluidum, welches in dieser Weise von dem einen auf den anderen übertragen werden kann? – Nun war ich allein und dachte an Halefs Sohn. Endlich, endlich! Ich hatte eine Zuversicht in mir, welche an die Gewißheit grenzte, daß er seinen Vater retten werde. Wer aber war der Fremde, den er mitbrachte? Einen Augenblick lang hatte ich an seine Mutter gedacht, an Hanneh, die ‚lieblichste und schönste unter allen Blumen des Morgenlandes‘. Ich war durch die Sänfte zu diesem Gedanken geführt worden. Aber ich hatte doch angeordnet, daß Hanneh nichts von Halefs Krankheit erfahren solle, und mußte mit der Ansicht des Ustad einverstanden sein, daß ein weibliches Wesen einen solchen Parforceritt unmöglich aushalten könne. Zwar war sie eine außerordentlich resolute Frau; sie verstand jedes Pferd nach Männerart zu reiten, und sie hing mit so inniger Liebe an Halef, daß ihr der Entschluß, jetzt mitzukommen, sehr wohl zugetraut werden konnte; aber anzunehmen, daß sie diesen Gedanken in Wirklichkeit ausgeführt habe, das schien mir doch viel zu gewagt zu sein.
    Ein

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