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22 - Im Reiche des silbernen Löwen III

22 - Im Reiche des silbernen Löwen III

Titel: 22 - Im Reiche des silbernen Löwen III Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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schnell anzuzünden. Auch die anderen Räume des ‚hohen Hauses‘ schienen hell erleuchtet worden zu sein, denn die Strahlen vereinten sich zu einem glänzenden Lichtstrom, welcher weit hinaus bis an den See und tief hinunter bis auf die Sohle des Tales flutete. Von dort klangen laute Stimmen herauf. Ich hörte Pferde wiehern. Eine Fantasia oder gar ein lärmendes Pulverspiel gab es nicht. Die Nähe des Todes verbietet solche Dinge. Bald hörte ich fern leisen Hufschlag, welcher lauter wurde. Er kam den Berg herauf. Nun ertönte das langgezogene, ungeduldige ‚Chchchchchuuuuh‘ eines Kamels. Ich kannte diesen Ton. So klagt das Hedschihn der ebenen Wüste, wenn es gezwungen wird, auf ungewohnten Bergwegen zu schreiten. Von rechts unten her erklang die laute Stimme des Peder. Ich verstand die Worte nicht, doch waren sie das Willkommen, welches er den Gästen sagte. Hierauf erschienen einige Dschamikunreiter auf dem Vorplatz. Sie waren die Führer. Hinter ihnen kam, von den Fackeln genügend beleuchtet, Kara Ben Halef, auf seinem ‚Ghalib‘ sitzend. Ihm folgten zwei aus der edelsten Bischarizucht stammende Eilkamele. Das eine war ledig; auf dem anderen saß der verschleierte Fremde. Seine Waffen hingen am Sattelknopf. Er sprach mit dem Peder. Er war ebenso wie Kara in den gewöhnlichen Wüstenanzug gekleidet. Kara Ben Halef sprang vom Pferd und trat zu dem Kamel hin, um dessen Reiter beim Absteigen zu unterstützen. Dieser aber glitt ohne die beabsichtigte Hilfe schnell aus dem Sattel herab und fragte so laut und pressant, daß ich die Worte verstehen konnte: „Nun sag, wo liegt der Scheik der Haddedihn?“
    Welch eine Stimme! Die kannte ich ja! Täuschte mich mein Ohr, oder war es Wirklichkeit?
    „Hier oben in der Halle“, antwortete der Peder.
    „So komm!“ Mit diesen Worten ergriff der Fremde Karas Hand, um mit ihm die Stufen emporzueilen.
    „Ich ersuche euch, nicht so schnell zu gehen“, bat der Peder. „Es ist notwendig, daß ich vorher – – –“
    Dem Verschleierten aber fiel es gar nicht ein, auf diese Worte zu achten. Er zog Kara von Stufe zu Stufe in größter Ungeduld hinter sich her, bis er die oberste erreicht hatte. Da fiel sein Blick auf mich. Er blieb stehen, um mich zu betrachten. Seine Gestalt schien plötzlich alle Möglichkeit, sich zu bewegen, verloren zu haben. Er stand starr, eine ganze, ganze Zeit. Dann hob er langsam die Arme und schlug die Hände laut zusammen.
    „Sihdi?“ rief er aus.
    „Ich bin es“, antwortete ich.
    Da tat er die drei Schritte zu mir her, warf sich vor mir nieder, zog meine beiden Hände unter seinen Schleier und drückte sein Gesicht hinein. Es waren glatte, bartlose Wangen, die ich fühlte. Sein Körper bewegte sich konvulsivisch. Er wollte den Ausbruch des Schmerzes, das Schluchzen unterdrücken und konnte es doch nicht. Aus seinen Augen floß eine Flut von Tränen über meine Hände. Kara stand still auf der vorletzten Stufe. Auch er erkannte mich, ließ aber dem Andern das Vorrecht, zuerst mit mir zu reden.
    Da hob dieser andere den Kopf empor, sah mir noch einmal forschend ins Gesicht und sagte schluchzend: „Das, das ist mein Sihdi! Der einzige Freund meines irdischen Lebens! Der kluge Berater meines Herzens! Der treue Leiter meiner irrenden Seele! Der unerschütterliche Fels in jener Not! Kennst du mich?“
    „Hanneh!“
    Ich konnte dieses kleine Wort kaum über die Lippen bringen, so tief erschüttert war ich. Meine Augen standen voller Tränen, und meine Stimme bebte. Da warf sie den Turban vom Kopf, riß den Schleier herab und rief jammernd aus: „Ja, ich bin es! Aber bist du der noch, der du warst?“
    „Ich werde es wieder sein!“
    „Ja, du mußt, du mußt, du mußt es wieder sein! Ich mache dich gesund, ich, ich! Und ich beginne damit gleich jetzt, in diesem Augenblick! Kennst du das Märchen von Chakika (Die ‚Wahrheit‘), welche vom Himmel kam und dem Tod begegnete? Sie küßte ihn; da wurde aus ihm das Leben.“
    „Ich kenne es. Diese lichte, himmlische Chakika ist die herrlichste Wahrheit, die es gibt.“
    „So laß mich dieses Märchen sein, und zürne mir wegen meiner Kühnheit nicht!“
    Sie rutschte auf den Knien ganz zu mir heran, zog meinen Kopf an sich und küßte mich auf beide Wangen und dann noch auf die Stirn. Dann fuhr sie unter Tränen fort: „Wer war es, der dich jetzt mit den Lippen berührte? Nicht Hanneh, das Weib von Hadschi Halef Omar, des Scheiks der Haddedihn! Der Kuß dieser Frau könnte dir nichts

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