22 - Im Reiche des silbernen Löwen III
Niederlage der ‚Sahm‘ sich wiederholen zu lassen, während andererseits sein Stolz ihm nicht gestattet hätte, etwa aus Höflichkeit freiwillig auf den Sieg zu verzichten. Es blieb also bei dem, was er sich vorgenommen hatte, nämlich bei einem Übungsreiten, welches keinem leidenschaftlichen Zweck zu dienen hatte. Die Stute hielt, so lange der Boden grasig war, sehr leicht den gleichen Schritt mit unseren Pferden; aber später im tiefen Sand fiel sie bemerklich ab. Das konnte ihr aber nicht zur Schande gereichen, weil sie kein Pferd der sandigen Steppe war. Als dann der Hasenpaß erreicht wurde und der langsame Aufstieg auf steinigem Boden begann, mußten dafür nun unsere Tiere sich anstrengen, es ihr gleichzutun, worauf Kara von Tifl wiederholt aufmerksam gemacht wurde.
Die Gegend war hier felsig und unfruchtbar. Niedriges, trockenes Gestrüpp überzog die Berge mit schmutzigem Grau, und nur hier oder da gab es einen Baum, dessen dünn benadelte Zweige keinen Schatten spendeten. Als die Höhe des Passes erreicht worden war, konnte man darum die Aussicht nach allen Seiten frei genießen. ‚Das Kind‘ deutete auf einen der aufgerichteten Steinhaufen und sagte:
„Das ist das Grenzzeichen. Bis hierher gehört das Land den Dschamikun.“
„Und wem sodann?“ fragte Kara.
„Allen Menschen.“
„Gibt es keinen besonderen Besitzer?“
„Das ist der Schah-in-Schah, dem ja das ganze Reich gehört. Die Gegend hier ist so öd und dürr, daß niemand sie haben will. Wer sie bekäme, müßte Steuern zahlen; wer aber kann diese hier aus solchen Felsen ziehen? Wenn der Muhassil kommt, so fragt er nicht, ob der Boden etwas getragen hat, sondern er nimmt alles mit, was man besitzt.“
„Wer ist der Muhassil?“
„Das weißt du nicht?“
„Nein.“
„Das ist der unwillkommenste aller Gäste, die es gibt. Jedermann in Persien soll Steuern zahlen. Auch die freien Stämme werden dazu angehalten. Unser Ustad hat versprochen, es zu tun, und wir halten Wort. Darum wird kein Muhassil zu uns kommen. Andere aber zahlen nicht eher, als bis sie dazu gezwungen werden, denn sie behaupten, ein freier Mann sei auch von Steuern frei. Zu ihnen wird ein möglichst strenger, vielleicht gar hartherziger Offizier oder Beamter gesandt, der Soldaten mitbringt, die ihm helfen müssen, den Mal-i-Divan (Grundsteuer) und den Sadir Avariz (Unregelmäßige Steuern) mit Gewalt einzutreiben. Sobald er diese Gewalt auszuüben beginnt, hat man ihn mit dem Titel Muhassil zu ehren. Er nimmt zunächst das, was er für den Beherrscher haben will. Sodann nimmt er das, was er für sich selbst haben will, und das ist gewöhnlich alles, was noch da ist.“
„Leistet man ihm denn da nicht Widerstand?“
„Widerstand? Er würde nur gehen, um dann mit noch mehr Soldaten zurückzukehren. Das beste Mittel, ihm zu entrinnen, ist die Flucht. Aber er kommt meist so unerwartet, daß sie unmöglich ist. So hat er kürzlich auch die Kalhuran überrascht, welche eigentlich noch gar keine Steuern zu bezahlen haben.“
„Wer sind diese Kalhuran?“
„Ein Nomadenstamm, dessen Land nicht mehr ausreichte, ihn zu ernähren. Eine Abteilung von ihm bat um neues Land und bekam die Gegend, welche du hier östlich vor uns liegen siehst. Sie beginnt zwar erst jenseits dieser Felsenberge, ist aber von so geringer Fruchtbarkeit, daß lange Jahre dazu gehören, den Boden zu verbessern; darum wurde den Kalhuran gesagt, daß sie erst nach dem zehnten Sommer Steuern zu bezahlen hätten. Sie sind nun erst vier Jahre hier; dennoch sandte man ihnen einen Boten, welcher sie benachrichtigte, daß sie jetzt schon zu bezahlen hätten. Sie weigerten sich. Da stellte sich ganz unversehens ein Muhassil mit einer ganzen Schar von Soldaten bei ihnen ein. Der hat es sich bei ihnen so bequem gemacht, als ob er jahrelang bleiben wolle. Er wird so lange an ihrer Habe saugen, bis sie kein einziges Pferd, kein armes Schaf mehr haben.“
„Maschallah! Der sollte das einmal bei unsern Haddedihn versuchen! Weißt du, welchen Namen dieser Dschady (Blutsauger, Vampir) hat?“
„Er heißt Omar Iraki. Der Scheik der Kalhuran ist ein junger Mann, dem der Ustad eine Tochter unseres Stammes zum Weib gegeben hat. Sein Name ist Hafis Aram. Ich kenne ihn, denn er war ja bei uns, als er sie hinüber zu sich holte. Chodeh beschützte ihn! Vor dem Muhassil aber bewahre er alle Menschen. Grad von diesem Omar Iraki hat man nur Böses, aber kein einziges gutes Wort gehört. Komm, reiten wir hinab!
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