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22 - Im Reiche des silbernen Löwen III

22 - Im Reiche des silbernen Löwen III

Titel: 22 - Im Reiche des silbernen Löwen III Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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Vorzüge, ohne zu sagen, ob er einen Fehler an ihr entdeckt habe. Dann fragte er Tifl, nach welcher Gegend man einen Spazierritt, wie der beabsichtigte sei, am besten machen könne. Der Gefragte antwortete, seinem Namen ‚Kind‘ gar nicht entsprechend, außerordentlich fachgemäß:
    „Wir müssen einen großen, freien Platz zum Galoppieren haben, dann aber auch steile, beschwerliche Wege, welche uns zeigen, was unsere Pferde auf ihnen zu leisten vermögen. Von hier aus nach Osten liegt eine weite Ebene, welche erst grasig und dann nur noch sandig ist. Jenseits von ihr erhebt sich das Gebirge, über welches zwei Pässe führen, der Boghaz-y-Chärgusch (Hasenpaß), welcher so heißt, weil es dort in den Büschen viele Hasen gibt, und der Boghaz-y-Ghulam (Kurierpaß), den man so nennt, weil dort einmal ein Bote des Beherrschers ermordet worden ist. Wenn wir einen dieser Pässe hinauf reiten und durch den anderen zurückkehren, lernst du die Gegend kennen, durch welche sich die östliche Grenze unseres Gebietes zieht.“
    „Ist es weit?“
    „Für gewöhnliche Pferde, ja; für unsere aber nicht.“
    „Da mein Vater krank ist, möchte ich nicht erst spät des Nachts heimkehren.“
    „Wir kehren um, sobald du willst!“
    „Ist die Gegend sicher?“
    „Ja.“
    „Du siehst, daß ich nur mein Messer bei mir habe; du aber bist ganz unbewaffnet. Auf eurem Gebiet duldet ihr wohl keinen bösen Menschen, doch kommen wir ja, wie du sagst, bis an die Grenze desselben. Und die Massaban sind sogar bis hierher zu euch gedrungen, um euch zu überfallen. Wirklich und unausgesetzt sicher ist wohl kein Ort hier in den Bergen.“
    „Das ist richtig. Aber wer solche Pferde reitet wie wir, der kann jedem Übel schnell und leicht entgehen. Fürchtest du dich vielleicht?“
    Welch eine Frage für Kara! Ob er sich fürchte! Das war bei ihm ein vollständig unmögliches Gefühl. Er war zu verständig, sich als beleidigt zu betrachten, und als Gast der Dschamikun hatte er sich zu hüten, selbst beleidigend zu werden. Darum hielt er es für das Beste, so zu tun, als ob diese Frage ganz ungehört an seinem Ohre vorübergegangen sei.
    „Komm! Vorwärts!“ sagte er, indem er seinem Ghalib das Zeichen zum Weitergehen gab. Assil und Barth hatten ihren Willen gehabt und folgten ohne Widerstreben.
    „Kommst du noch vor Nacht zurück?“ wurde ‚das Kind‘ von der Köchin gefragt.
    „Sehnst du dich schon jetzt nach mir?“ antwortete er lachend.
    „Nicht an dich, sondern an Kara Ben Halef denke ich. Ich weiß, daß es weder Zeit noch Schranken für dich gibt, wenn du auf Sahm sitzt. Er aber hat noch von der Reise auszuruhen. Ich werde dich sehr streng bestrafen, wenn du dich verspätest!“
    „Welche Strafe wird das sein?“
    „Du bekommst nichts zu essen!“
    „Das kenne ich! Mit dem Mund entziehst du mir die Kost, aber schon nach einer Viertelstunde gibst du mir sie mit den Händen doppelt, weil mein Hunger nicht meinem Magen, sondern deinem Herzen weh tut!“
    „Da sehe ich, wie schlecht ich dich erzogen habe! Die Liebe ist verderblich für solche Kinder, du sollst aber von jetzt an meine Strenge kennen lernen!“
    „Die gibt es ja gar nicht! Leb wohl, o Pekala. Hast du noch einen Wunsch?“
    „Bring frohe und hungrige Gäste mit!“
    Das ist ein oft gebrauchter, beduinischer Abschiedsgruß. Die Köchin sagte das wohl nur, um überhaupt etwas zu sagen. Sie ahnte nicht, daß, oder gar in welcher Weise er in Erfüllung gehen werde.
    Der Ritt ging zunächst des Sees entlang und dann über das ganze Tal desselben hin, bis es zwischen den Bergen einen tiefen Einschnitt gab, welcher sich jenseits auf die von Tifl erwähnte Ebene öffnete. Dort wurde den Pferden erlaubt, zu galoppieren. Tifl erwies sich als ein unübertrefflicher Naturreiter. Von den feineren, erzieherischen Verhältnissen zwischen Mensch und Tier aber wußte er wohl nichts. Wer ihn so sicher, so fest, so ganz wie mit dem Pferd zusammengewachsen, im Sattel sitzen sah, der mußte es freilich für fast unmöglich halten, daß er sowohl von Assil als auch von Barth abgeworfen worden sei; aber diese unsere Hengste waren nicht, wie die braune Stute des Ustad, gewohnt, augenblicklichen Instinkten, sondern einem zielbewußten, sich stets gleichbleibenden Willen Untertan zu sein.
    ‚Das Kind‘ machte verschiedene Versuche, den jetzigen Ritt zu einem Wettrennen zu gestalten, hatte aber damit bei dem bedachtsamen Kara keinen Erfolg. Dieser war einerseits viel zu klug, eine

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