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22 - Im Reiche des silbernen Löwen III

22 - Im Reiche des silbernen Löwen III

Titel: 22 - Im Reiche des silbernen Löwen III Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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da, wirklich da! Allah sei Dank! Nun ist alles, alles wieder gut!“
    Ich ging zu ihm hin, setzte mich auf den Rand seiner Lagerstätte, nahm seine Hand in die meinige und antwortete:
    „Ja, mein lieber Halef; ich bin da; ich bin bei dir. Ich befinde mich wohl. Du hast wohl einen schlimmen Traum gehabt, in welchem du mich sahst?“
    „Es war kein Traum – – – Warte! – – – Ich bin vor Angst um dich so schwach geworden. – – – Ich muß erst ruhen; – – – muß Kräfte sammeln.“
    Seine Stimme war hierbei leiser und immer leiser geworden. Dann schloß er die Augen. Hanneh hob den Zeigefinger bekräftigend in die Höhe, zog die Brauen hoch empor und flüsterte mir zu:
    „Er schlief allerdings nicht; aber es war auch kein Wachen. Ich habe ihn früher niemals so gesehen. Er bewegte das Gesicht und die Lippen genau so, als ob er vor Entsetzen schreie; aber es war kein Laut zu hören. Der Schweiß trat ihm endlich auf die Stirn; den wischte ich weg, und bei dieser Berührung erwachte er.“
    „Es war aber doch nur Traum!“ sagte ich ebenso leise.
    „Nein!“ behauptete sie. „Ich habe einmal einen Arifi (Seher) gesehen, der die Gabe hatte, halb wachend und halb träumend in die Zukunft zu schauen. Genau wie dieser Mann sah vorhin Halef aus. Warte, was er erzählen wird!“
    Wir befanden uns allein in der Halle. Es war still. Da öffnete Halef die Augen, richtete einen langen Blick auf mich, als ob er sich überzeugen wolle, daß ich wirklich bei ihm sei, schloß sie wieder und begann dann, langsam und mit leiser, aber doch vernehmlicher Stimme zu sprechen:
    „Es war bei dir, fern, sehr fern von hier, in Dschermanistan. – – – Ich hörte, daß du sterben müssest, und doch warst du nicht krank, sondern gesund und stark, rüstiger, viel rüstiger noch als jetzt. – – – Und doch lagst du im Sterben. – – – Aber du lagst nicht eigentlich, sondern du standest, aufrecht, ohne Furcht, lächelnd. – – – Und doch wußtest du es, und doch sagtest du es selbst, daß du jetzt sterben werdest. – – – Nicht schnell, nicht plötzlich, sondern langsam, sehr langsam. – – – Dein Tod werde nicht Stunden und Tage, nicht Wochen und Monde, sondern Jahre hindurch dauern! – – –“
    Er machte eine Pause, und so fragte ich ihn:
    „Sprach ich denn mit dir?“
    „Nein. Du sahst mich ja gar nicht. Du sprachst überhaupt kein Wort! Alle, alle brüllten und schrien auf dich ein; du jedoch bliebst ohne Worte, ganz als seist du stumm. – – – Aber alles, was du dachtest, das war genau so, als ob du mir es sagtest. Ich erfuhr jedes Wort, durch dich, obgleich du keine Silbe sprachst. – – –“
    „So waren also andere bei mir?“
    „Viele, sehr viele. – – – An ihren Anzügen sah ich ja, daß ich mich bei dir im Abendland befand. Sie waren nicht morgenländisch gekleidet. – – – Es waren ihrer viele, die um dich herumstanden, lauter Feinde, grimmige Feinde. Sie riefen; sie schrien; sie brüllten; sie höhnten; sie sagten, du seiest der schlechteste Mensch auf Allahs Erde. Links, weit in das Land hinaus, standen noch welche; die freuten sich und brüllten mit. – – – Rechts gab es eine große, große Menge von Leuten. Diese waren deine Freunde und forderten dich unaufhörlich auf, dich zu wehren. Das tatest du aber nicht. – – – Von deinen Feinden kam einer nach dem anderen auf dich zu. Sobald er dich erreichte, verlor er seine menschliche Gestalt und verwandelte sich in eine häßliche Made, welche sich tief in dein Fleisch fraß. – – – Ich schrie, so oft ein Mensch zum Wurm, zur Made wurde und sich in deinen Körper bohrte. Du aber hörtest mich nicht, und ich konnte nicht hin, dich zu beschützen. – – – Deine Augen waren hell und die Züge deines Angesichts freundlich. Man sah dir an, du freutest dich; du fühltest keine Schmerzen. Du hattest Mitleid mit den Menschen, welche sich durch ihren Haß zu Würmern machten, um dich völlig aufzuzehren, wie ein Leichnam im Grab von den Maden aufgefressen wird. – – – Aber es sah schrecklich aus! Die schmutzfarbigen Fresser nagten sich immer höher an dir hinauf; sie wurden immer dicker und fetter, und wenn sie zum Platzen waren, fielen sie herab und krümmten sich da unten vor Vergnügen. – – –“
    „Ein sonderbarer Traum“, sagte ich kopfschüttelnd, als er jetzt wieder eine Pause der Erholung machte.
    „Kein Traum! Und auch nicht

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