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22 - Im Reiche des silbernen Löwen III

22 - Im Reiche des silbernen Löwen III

Titel: 22 - Im Reiche des silbernen Löwen III Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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beide den Satz aufgestellt: Wenn ein Moslem einen Nichtmoslem tötet, so unterliegt er der Blutrache nicht.“
    „Oh, das ist gut! Ich danke dir, Sihdi!“
    „Du bist scharfsinnig. Vielleicht gelingt es dir, herauszubringen, ob er Mohammedaner ist oder nicht.“
    „Laß mich nur machen! Werden seine Gefährten auch dabei sein?“
    „Nein. Das wäre gegen die Regel.“
    „So erlaube, daß ich vorangehe!“
    „Wohin?“
    „Zu ihm.“
    „Aber Hanneh! Warum?“
    „Das hörst du später. Er kennt mich nicht und weiß nicht, daß ich bei der Dschema sein werde.“
    Sie stand auf und ging. Dabei zog sie den Burko (Schleier) aus ihrem Überwurf und verhüllte mit ihm ihr Gesicht. Ich folgte ihr.
    Ghulam el Multasim befand sich wegen der zu erwartenden Verhandlung in Unruhe. Er hatte sich von seinen Gefährten getrennt und war allein, um sich das, was er sagen wollte, zurechtzulegen. Hanneh richtete es so ein, daß sie an ihm vorüberkam. Ich sah, daß sie ihm ein Wort zuwarf. Er antwortete. Sie blieb stehen, nur kurze Zeit, um einige Bemerkungen mit ihm zu wechseln. Dann entfernte sie den Schleier vom Gesicht, nickte ihm zu und entfernte sich. Ich ahnte, warum: sie hatte gesiegt:
    Nach einiger Zeit waren die Ältesten beisammen. Sie setzten sich in einem Kreis nieder, in dessen Mitte der Peder sich niederließ.
    Ich mußte an seiner linken Seite Platz nehmen. Der Bluträcher erschien und stellte sich vor uns auf. Zuletzt kam Hanneh, unverschleiert.
    Der Peder wies ihr ihren Platz an seiner rechten Seite an. Als das der Multasim sah, rief er erstaunt aus:
    „Ein Weib? Das kann ich nicht dulden!“
    „Diese Frau ist das Weib von Hadschi Halef Omar, des Scheiks der Haddedihn“, entgegnete der Peder. „Du mußt es dir gefallen lassen, daß sie für Aminen spricht, die deinen Sohn erschoß! Wenn es dir nicht paßt, so kannst du gehen. In diesem Fall aber hast du auf alles zu verzichten. So will es das Gesetz.“
    „Ich bleibe!“
    „Nun wohl. So sei die Dschema hiermit eröffnet. Du hast zunächst deine Anklage mit ihren Beweisen vorzubringen und dann deine Forderungen mit ihren Begründungen zu stellen. Ehe das geschieht, habe ich dich auf etwas aufmerksam zu machen, was für dich von größter Wichtigkeit ist. Wirst du Blut fordern oder den Preis?“
    „Blut!“ antwortete er, indem er mir einen bezeichnenden Blick zuwarf.
    „Du bist persischen Glaubens?“
    „Persischen? Ja!“
    „So wird deine Blutrache nach schiitischen Gesetzen, und zwar nach den Auslegungen des Khalil, behandelt werden müssen. Ich hoffe, daß du rechnen kannst?“
    „Beleidige mich nicht!“
    „Hast du das Blut berechnet?“
    „Blut? Berechnet? Ich verstehe dich nicht.“
    „Wie viele Personen sind getötet worden?“
    „Eine.“
    „Von wie vielen wurde sie getötet?“
    „Von zweien.“
    „Welchen Geschlechtes waren diese?“
    „Ein Mann und ein Weib.“
    „Gelten beide in Beziehung auf die Blutrache gleich?“
    „Nein, das Weib halb. Was fragst du mich nach so bekannten Dingen?“
    „Du wirst es gleich hören. Anderthalb Personen haben eine Person getötet. Nach Khalil gehört also jeder der beiden Täter nur zu drei Vierteilen deiner Rache. Das andere Viertel darfst du nicht berühren. Wenn du es verletzen solltest, bist du selbst der Rache verfallen. Das ist es, was ich dir vorher zu sagen hatte.“
    Man sah dem Multasim an, daß ihm diese pfiffige, aber durchaus auf dem Gesetz beruhende Ausführung das Gleichgewicht störte. Solche Bruchteile lassen sich nur dann bezahlen, wenn der Preis, nicht aber Blut gefordert wird.
    Übrigens war ich neugierig, ob er unsere unter vier Augen getroffene Verabredung erwähnen werde. Tat er das, so durfte er sich nicht an den beiden anderen rächen. Forderte er aber deren Blut, so war ich wieder frei. Seine nun zu erwartende Anklage mußte Licht in diese Sache bringen. Er öffnete bereits den Mund, um zu beginnen, da ergriff Hanneh vor ihm das Wort:
    „Halt!“ sagte sie. „Auch ich habe vorher ein Wort zu sagen. Nämlich nach den Auslegungen von El Mohekkik und Minhadj gibt es keine – – –“
    „Maschallah!“ unterbrach sie der Peder erstaunt. „Daß du so gelehrt bist, das ahnte ich nicht!“
    Sie nickte mir lächelnd zu, antwortete ihm nicht und begann von neuem:
    „Nach den Auslegungen von El Mohekkik und Minhadj gibt es keine Blutrache, wenn der Getötete kein Mohammedaner ist. Der tote Muhassil aber war ein Christ.“
    „Beweise es!“ fuhr der Multasim sie zornig

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