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22 - Im Reiche des silbernen Löwen III

22 - Im Reiche des silbernen Löwen III

Titel: 22 - Im Reiche des silbernen Löwen III Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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Hammelschwanz, nicht aber für den Ausdruck deines Verstandes zu haben scheinst. Wer reden will, der muß das Kauen lassen. Mir ist es überhaupt stets lieber, wenn du sprichst, denn wenn du schweigst, so steckt etwas dahinter! Du siehst doch gewiß ein, daß wir uns entschließen müssen, daß keinen Augenblick gezögert werden darf?“
    „Ich sehe zunächst ein, daß wir uns gar nicht so zu übereilen brauchen, denn die Worte Nafar Ben Schuris haben gelautet: ‚In diesem Fall können wir schon morgen oder doch übermorgen aufbrechen.‘ Hat sich vielleicht etwas zugetragen, wodurch dieses ‚Übermorgen‘ so vollständig ausgeschlossen ist, daß wir uns jetzt nicht einmal von dem heutigen Ritte ausruhen dürfen?“
    „Nein. Es ist nichts geschehen. Aber bist du denn so ermüdet? Ich bin es keineswegs, und von dir ist man solche Schwächen ja auch nicht gewähnt.“
    „Vorsichtig und bedacht zu sein, ist niemals eine Schwäche, lieber Halef. Wir wissen über die Dschamikun ja nicht mehr, als wir von ihnen wußten, ehe wir hier diese unsere Freunde trafen. Oder genügt es die vielleicht, von ihnen nur zu wissen, daß wir jetzt ihre Feinde sind und mit gegen sie ziehen wollen?“
    Er sah mich an, nickte dann verständnisvoll vor sich hin und sagte hierauf:
    „Ja, daran habe ich freilich nicht gedacht! Und doch haben wir dieser deiner Gepflogenheiten alles zu verdanken, was wir jemals erreicht haben. Du pflegst alles auf das reiflichste zu bedenken und mit dem Geist anzuschauen, ehe du handelst. Du greifst niemals einen Gegner an, ohne genau zu wissen, wer er ist, wo er ist und wie stark er ist.“
    „Nun, wissen wir das von den Dschamikun?“
    „Nein.“
    „Und doch bist du bereit, sofort mit aufzubrechen! Dürfen wir es wie kleine Knaben machen, die aufeinander losschlagen, ohne zu wissen, was es für einen Ausgang nehmen kann?“
    Er wollte antworten, wurde aber durch das Erscheinen eines Mannes daran verhindert, welcher langsam den Berg heraufgekommen war und, als er uns sah, seine Schritte zu uns lenkte und sich ohne Wort und Gruß zu uns setzte. Seinem Äußeren nach war er keineswegs eine Person, von der man hätte sagen mögen, daß sie zu dem Scheik und zu uns gehöre. Sein Körper war von um ihn herumhängenden Fetzen nur halb bedeckt. Die hindurchblickenden nackten Stellen hatten ebenso wie das Gesicht, die Hände und die unbekleideten Füße einen dicken Schmutzüberzug. Ein Zeugstück, welches man in Deutschland einen verbrauchten Hader nennen würde, war um seinen Kopf gewunden. Darunter hingen lange Haare heraus, welche wahrscheinlich altersgrau waren, aber derart von fettiger Unreinlichkeit starrten, daß man ihre Farbe unmöglich bestimmen konnte. Trotzdem waren sein Gang und seine Haltung so würdevoll und selbstbewußt, als ob er über uns allen hoch erhaben sei. Seine Gesichtszüge waren außerordentlich regelmäßig, Stirn und Wangen trotz des Alters beinahe ohne Falten. Ich sagte mir, daß er ein schöner Greis sein werde, sobald er sich gereinigt und anders gekleidet habe. Geradezu selten schön waren seine großen sonderbaren Augen. Es schien, als ob eine bisher unberührte Gazellenunschuld in ihren dunklen Tiefen wohne. Und doch konnten aus diesen Tiefen Blitze aufsteigen, als ob sich da unten plötzlich ein verborgener Krater geöffnet habe. Dann bekam die schwarze Pupille einen hellen, fast möchte ich sagen, gelben Überschein, und die Lider öffneten sich hoch und weit, als ob alle Ströme und Fluten einer unbekannten seelischen Welt hervorbrechen wollten. Das sah ich natürlich nicht sofort, im ersten Augenblick, sondern ich beobachtete es nur nach und nach, denn dieser Mann flößte mir ein so ungewöhnliches Interesse ein, daß ich ihn beobachtete, ohne es mir eigentlich bestimmt vorgenommen zu haben. Es gibt Menschen, zu denen man innerlich hingezogen wird, obgleich die äußeren Verhältnisse dies gar nicht zu gestatten scheinen. Ich will aufrichtig gestehen: der Schmutz dieses Fremdlings wirkte abstoßend, und doch war er unter allen Anwesenden der einzige, dem ich ohne allen Vorbehalt meine Hand hätte geben können. Warum, das wußte ich nicht, aber ich fühlte so.
    Der Scheik schien es für ganz selbstverständlich zu halten, daß dieser Mann sich zu uns setzte. Er nickte ihm nicht nur freundlich, sondern mit dem Ausdrucke der Ehrfurcht zu und sagte dann zu uns:
    „Das ist Sallab, der Fakir. Wohin er kommt, bringt er Segen Allahs mit.“
    Hierauf kreuzte Sallab die Hände

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