220 - Die Reise nach Taraganda
dumpfer Laute; in Zeitlupe sprechende Dämonenstimmen: tief, kehlig, als kämen sie geradewegs aus Orguudoos Reich. Sein Kopf war heiß, seine Haut fing unerträglich an zu jucken.
Rulfan lief im Kreis, dann brach er aus und hetzte einen Hügel hinauf. Es war eher ein Berg: steil, felsig. Kurz vor dem Gipfel stürzte Rulfan erneut und fiel in ein Loch, einen ausgewaschenen Schacht. Es ging Abwärts. Abwärts. ABWÄRTS. Rulfan suchte einen Halt, doch vergebens. Seine Hände rutschten von den glatten Wänden ab.
Hinter ihm – über ihm – kreischten die frustrierten Dämonen, weil er ihnen entkommen war. Ha! Ha! Rulfan lachte fröhlich. Und dann ging es noch tiefer in die Finsternis hinab! Dann ein jähes Aufblitzen. Licht! – Schon ging es einen Hang hinab, hinein in einen grünen Kessel voller sich in der Sonne wiegender Blumen und Palmen.
Rulfans Panik wich. Auch der Juckreiz. Die Rutschpartie endete unverhofft vor zwei großen Findlingen. Zwischen ihnen saß ein rotbrauner Murgatroyd mit übereinander geschlagenen Beinen auf einem Stein und musterte ihn aus schillernden Facettenaugen. Hinter ihm…
Rulfan schloss die Augen. Als er sie wieder öffnete, schienen Stunden vergangen zu sein, denn die Sonne stand anders als zuvor. Hatte er geschlafen? Die Besinnung verloren? Ihm schwirrte der Kopf. Was, um alles in der Welt, war gerade passiert? Er war doch eben noch in Taraganda an dem Teich gewesen… Er stand auf und reckte den Hals.
Ihm fiel ihm ein, dass Zarr und Lay aus dem Fort gelaufen waren. Wo steckten sie? Er musterte seine Hände. Sie waren schmutzig. War er gestürzt? Hatte er sich den Kopf gestoßen?
Rulfan schaute sich um. Hinter ihm: ein erdiger Hang, von Vegetation bewachsen. Eine Schleifspur deutete an, dass er auf dem Hinterteil von dort oben herab gerutscht war. Sein Hintern fühlte sich auch so an.
Er war in einem Talkessel. Die Umgebung war stark bewaldet. Da hinten… hinter den Findlingen… Irrte er sich oder ragten da wirklich Gebäude auf?
Der Murgatroyd war weg. Wen wunderte es? Sie kamen und gingen. Sie sahen aus wie Eichhörnchen mit Fliegenaugen. Fest stand: Sie kamen allein. Sie äfften menschliche Gesten nach und tauchten nur in Situationen auf, in denen man, wie Matt sagte, »leicht von der Rolle« war.
Sehen wir sie vielleicht nur, wenn wir benommen sind?
Warum nur dann?, erkundigte sich sein innerer Zweifler.
Weil sie für das nicht benommene Auge unsichtbar sind?
Rulfan schüttelte den Kopf. Er war wirklich von der Rolle, und zwar heftig: Er diskutierte mit sich selbst.
Dabei gab es da vorn bestimmt Interessantes zu sehen. Er hob seinen Säbel auf und ging geduckt zwischen den Findlingen her. Schon nach zwanzig Metern erkannte er, dass er wirklich eine Entdeckung gemacht hatte: eine verlassene Stadt? Aus welcher Zeit stammte sie wohl?
Die sechs oder sieben kreischenden Zilverbaks, die sich plötzlich an Lianen von den Bäumen herab ließen und sich brüllend und geifernd auf Rulfan stürzten, interessierten sich vermutlich weniger für solche kleinlichen Fragen.
***
Taraganda, 24. Juni 2524
Es war schon dunkel, als die Roziere über dem Fort der Zilverbaks kreiste. Laut den Karten hieß es »Taraganda«.
Prinz Akfat machte eine so gute Figur an den Steuerelementen, dass Matt sich vornahm, ihn nach ihrer Rückkehr gebührend bei seinem Vater zu belobigen. Ein Lob stärkte das Ego junger Menschen, und nach dem, was Matt auf dem langen Flug von Madagaskar nach Wimereux über den Prinzen gehört hatte, war es genau das, woran es Akfat am meisten fehlte.
»Noch immer nichts?« Akfat reckte den Hals. Er war eigentlich ein gut aussehender Bursche.
»Nein.« Matt schüttelte den Kopf. Er suchte das Fort mit einem Binocular ab. Die Ansiedlung war eindeutig verlassen. Nirgendwo rührte sich Leben. Sie suchten nun seit einer halben Stunde nach dem weißhaarigen Gentleman aus Coellen. Rulfan war doch nichts zugestoßen?
War er vielleicht noch gar nicht hier?
Vielleicht sollten sie landen. Matt wollte Akfat gerade eine entsprechende Anweisung geben, als Vogelgekreisch ihn aufschreckte. Schon hatte er den Schwarm im Visier: Er jagte dicht über die Wipfel dahin. Die Vögel hackten im Flug wie irre aufeinander ein. Federn stoben in alle Richtungen, Blut spritzte. Matt schaute der Schlacht fassungslos zu. Er konnte nicht erkennen, dass sich verschiedene Arten von Vögeln bekriegten.
Die Tiere waren schwarz, zerzaust und entengroß. Sie bekämpften sich mit Krallen und
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