2202 - Der Hyperschock
Drahtnetz aus hauchfeinem Ynkenit verstärkt. Sie ist meine einzige Erinnerung an die Liebe meines Lebens, von der ich mich nie trennen möchte.
Wir checken alle Funktionen und unternehmen nochmals einen Testflug.
Diesmal erreichen wir mit dem Metagrav-Antrieb nur noch 93 Prozent des angegebenen Überlicht-Faktors. Aber damit können wir leben, solange nicht weitere Kristalle durchbrennen.
Dann kehren wir wieder in den Normalraum zurück und verharren. Nun ist es so weite „So", fährt Mal fort, während er sich im Pilotensessel zurückfallen lässt, und sieht mich erwartungsvoll an. „Und wohin jetzt, Junge? Was hast du vor?"
Eine gute Frage. „Ich weiß es nicht, Mal."
„Schlechte Antwort, Kant. Du hast genug Zeit zum Nachdenken gehabt, da draußen während der Reparaturen, und manchmal konnte ich deine Gedanken fast bis zu mir schreien hören.
Du musst dir darüber' im Klaren geworden sein, wie es nun weitergehen soll."
Ich seufze. Mein Freund ist nicht nur ein guter Tierheiler, sondern ebenso ein guter Menschenkenner. Natürlich haben mich diese Gedanken überfallen, als wir seit unserer Flucht zum ersten Mal dazu gekommen sind, Luft zu holen.
Einfach draufloszufliegen wäre dumm und sinnlos. Wir würden Shallowain früher oder später in die Arme laufen. „Der Hund wird nicht lockerlassen, uns zu verfolgen", wiederhole ich langsam das schon oft Gesagte. „Er wird unsere Spur wieder aufnehmen und nicht aufgeben, bis er uns hat.
Man kann ihn nicht aufhalten. Aber die LFT ist groß, und zwei Flüchtlinge mehr oder weniger fallen nicht auf. Allerdings auch nicht, wenn sie plötzlich wieder - unfreiwillig spurlos verschwinden."
„Eben das ist unser Vorteil, sieh es doch mal so", meint Mal. „Wir können untertauchen."
Ich nicke. „Das wäre die beste Lösung. Wir suchen uns einen harmlosen, friedlichen Planeten, verschaffen uns eine neue Identität und bauen gemeinsam eine neue Existenz auf."
„Und dann suchen wir uns zwei nette Frauen, gründen Familien und wohnen glücklich und zufrieden nebeneinander bis an unser beschauliches Lebensende. Einmal in der Woche gehen wir dann slowboardkegeln und schaukeln die restlichen Tage die Enkelchen auf unseren Knien."
Wir sehen uns an. „Eine bescheuerte Idee", stellen wir gleichzeitig fest und schütteln die Köpfe.
Allerdings finde ich: „Du solltest das tun, Mal. Schließlich bist du in diese Sache einfach hineingerutscht."
„Bist du verrückt?", sagt er wenig schmeichelhaft. „Ich erlebe das Abenteuer meines Lebens, und du willst es mir wegnehmen?"
„Du bist ein unverbesserlicher Romantiker, Mal."
„Mag sein", meint er in ungewohnt ernstem Tonfall. „Außerdem bin ich dein Freund, Kant. Denkst du, ich lasse dich im Stich? Du hast mich zwar in diese Sache reingerissen, aber jetzt bleiben wir zusammen."
„Ich habe etwas Schreckliches getan, Mal. Etwas, das unverzeihlich ist.
Ich habe meine Mutter umgebracht."
„Deine Reaktion ist in Anbetracht der Situation verständlich."
„Das macht es nicht besser und entschuldigt auch nichts. Ich stecke momentan in einer emotionalen Achterbahn. Ich fühle mich benutzt, ausgenutzt, dressiert wie ein Tier. Bostich, Ascari, Shallowain ... ihnen ging es nie um mich, als Person, als Individuum.
Ich wurde als Waffe gesehen, zu ihren Zwecken missbraucht und konditioniert. Ich fühle mich verraten, vor allem, da ich den Imperator einst sehr bewunderte und verehrte."
Ich betrachte meine Hand auf der Lehne, die sich zur Faust schließt und wieder öffnet. „Im Augenblick ist mir jeder Ort in der Milchstraße lieber als das Kristallimperium. Ich will nie wieder dorthin zurück. Und ich will mit den Arkoniden nichts mehr zu tun haben. Seit ich zur Schule ging, wurde ich von den anderen gehänselt, als Bastard beleidigt und von vielen verachtet. Sie werden mich nie anerkennen. Warum soll ich mich mit aller Gewalt zu ihnen stellen?
Nur, weil ich zur Hälfte arkonidische Gene trage und dort geboren bin? Ja, wenn es vielleicht so wäre!"
Ich schüttle den Kopf. „Es ist ja nicht einmal das, sondern: in vitro heran gezüchtet. Kannst du dir vorstellen, was das bedeutet? Ich bin das Produkt eines politischen Kalküls. In vitro gezüchtet."
Die letzten Worte spucke ich voller Hass aus. „Ich durfte nicht einmal auf die Welt kommen wie ein normales Kind, das in einem Moment der Liebe gezeugt wurde. Vielleicht war es nur Leidenschaft, das ist egal. Der Zeugungsakt jedenfalls war ein natürlicher Vorgang
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