2205 - Das Blut der Veronis
Bewegung. Ein anderer Körper schlängelte sich zuckend über den Toten. Ein animalischer Laut erklang, der nach Schlürfen, Saugen, Knurren klang. Als würde ein Tier seine Beute reißen.
Atlan verspürte permanent den psionischen Druck auf seinem Geist und dachte zuerst, dass er sich die Geräusche nur einbildete.
Aber dann rief jemand: „Veronis! Sie fallen über uns her! Sie haben Arghoil verschlungen!"
„Nur keine Panik!", rief Atlan. „Das ist alles bloß Einbildung."
Doch dessen war er sich auf einmal nicht mehr so sicher. Er merkte, wie sich der Schutt rechts von ihm bewegte, als bahne sich dort etwas seinen Weg ins Freie. „Ich sterbe, ich sterbe", jammerte der eine Motana wieder. Seine Stimme wurde immer schwächer.
Jetzt kroch von der Seite ein Körper an ihn heran. Er sah einem Motana ähnlich, er war jedoch biegsam und wand sich wie eine Schlange. Als seien seine Knochen aus Gummi. Atlan sah den Körper nur als Schemen, aber erkannte, wie lange, gichtige Klauen nach dem Jammernden griffen. Gleich darauf verstummte das Klagen. Und wieder waren diese Geräusche zu hören, als hielte ein Tier schaurige Mahlzeit. „Was läuft da ab?", rief Atlan. „Was geschieht da vorn?"
„Die Veronis ...", erklang es mit erstickter Stimme.
Rechts von Atlan häufte sich das Geröll, und dann stieß auf einmal eine Hand ins Freie. Es war die furchtbar entstellte Hand eines Motana. Sie wirkte weich und biegsam, wie eine Nachbildung aus Kau= tschuk. Und dann stieß plötzlich auch ein Kopf ins Freie. Es war ein lang gestreckter Totenschädel mit tief in den Höhlen liegenden, blicklosen Augen. Ein Gesicht aus Beulen und offenen Wunden, mit vereinzelten Haarbüscheln am Schädel.
Atlan zuckte erschrocken zurück. Der lippenlose Mund grinste ihn an und zeigte schwarze Zahnstummeln. Der Schädel schien einen Moment zu zerfließen, dann zog er sich jedoch zusammen und nahm normale Proportionen an. „Wer bist du?", fragte Atlan. „Erkennst du mich nicht?", fragte eine Stimme, die klang, als werde sie durch zerfressene Stimmbänder erzeugt. Eine zweite Hand und knochige Schultern erschienen aus dem Geröll. „Sieh mich an - ich bin es, Fahrdin."
„Das ist unmöglich!", entfuhr es Atlan.
Wie konnte sich ein vom Tode gezeichneter Motana in ein Ungeheuer verwandeln? Eine Art Schlangenmensch, der sich durch die schmalsten Ritzen zwängen konnte? Aber es musste Fahrdin sein, jetzt erkannte Atlan den Alten wieder. „Die Veronis haben mich zu sich gerufen, und jetzt bin ich einer von ihnen", fuhr die Kreatur mit rasselnder Stimme fort. Fahrdin ergriff mit beiden Händen Atlans Rechte und drückte sie. Sein Griff war kalt und feucht, schleimig geradezu. „Ich bin dir so dankbar, Atlan. Du hast mir so viel gegeben... du machst dir keine Vorstellung!" Die schaurige Stimme klang gerührt. „Jetzt kann ich dir alles vergelten. Diesmal habe ich eine Geschichte für dich. Es ist eine Geschichte mit ungewissem Ende. Das hängt von dir ab. Bist du gar vom Tode gezeichnet?"
Atlan erschrak. War Fahrdin zu einem kannibalischen Aasfresser geworden? „Ich fühle mich bestens", sagte der Arkonide rasch. „Ich bin nur eingeklemmt und kann mich nicht bewegen."
„Ich kann dir helfen", blubberte Fahrdin. „Als Veronis bin ich beweglich."
„Es gibt keine Veronis!", behauptete Atlan. „Sie sind bloß dem Aberglauben der Motana entsprungen."
„Sieh mich an, ich bin der lebende Beweis für ihre Existenz." Der Schreckliche kicherte. Sein Gesicht verzerrte sich. Er sammelte sich wieder, bis sein Gesicht normal proportioniert war. „Wenn du meine Geschichte gehört hast, wirst du ganz anders denken. Es ist eine schöne, überaus phantastische Geschichte. Sie wird dir gefallen."
Auf einmal wurde Atlan bewusst, dass ringsum Stille herrschte,. „Weiter Klopfzeichen geben", rief er den Motana- zu. „Unsere Retter müssen uns hören."
Atlan sagte das auch in Hinblick auf Fahrdin. Er sollte wissen, dass sie ihm und seinesgleichen nicht hilflos ausgeliefert waren. Aber Fahrdin - oder das, was aus ihm geworden war - reagierte nicht. „Höre, was ich dir zu sagen habe, Atlan", begann Fahrdin.
Und dann erzählte er seine Geschichte.
Es war die Geschichte von Motana, die gelernt hatten, im Heiligen Berg zu überleben. Es waren Motana, die den Verstand verloren hatten und dadurch auch die Fähigkeit, sich gegen den Gesang des Schaumopals zu schützen.
Die Blutkristalle ließen sie mutieren.
Die Motana passten sich den Bedingungen im
Weitere Kostenlose Bücher