2206 - Gesang der Hoffnung
erlaubten, aber es mühelos über den Untergrund gleiten ließen.
Rhodan und Atlan hatten seinen Besitzer, der sie verfolgt hatte, in eine Falle aus klebrigen, Fleisch fressenden Pflanzen gelockt. Er hatte sein Trike zurückgelassen, entweder um es sich später wieder anzueignen oder sich in einem Depot ein neues zu holen. Rhodans und Atlans Hoffnung, mit dem Fremden, der sie schweigend verfolgt hatte, Kontakt aufnehmen zu können, hatte sich zerschlagen.
Jetzt hatte der Fremde wieder zu ihnen aufgeschlossen. Mit welcher Absicht?
Rhodan musterte das gedrungene Wesen, das schweigend auf seinem Hovertrike saß. Seine Ähnlichkeiten mit Menschen erschöpften sich darin, dass es zwei Arme, zwei Beine und einen klar erkennbaren Kopf besaß. Es war so wuchtig gebaut, dass es Rhodan beinahe so vorkam, als hätte sein Schöpfer ein Fass genommen und erst nachträglich den Gedanken gehabt, dass das Wesen auch Gliedmaßen benötigte. Seine Haut - soweit sie sichtbar war, der Großteil wurde von einer weiten Hose und einer Jacke verhüllt - erinnerte an rau bearbeitetes Leder und war über und über mit dunklen Tätowierungen versehen. Der Kopf des Fremden, der halslos auf den Schultern saß, war so klein, dass er beinahe lächerlich wirkte. Rhodan konnte das Gesicht nicht sehen, es lag im Schatten des Helms, der wie ein Sonnenhut über eine breite Krempe verfügte. Dennoch glaubte Rhodan in der dunklen Fläche kalt glitzernde Augen zu erkennen. „Rorkhete!"
Der Ausruf Zephydas brach die erwartungsvolle Stille, die sich über die Residenz gelegt hatte. Die Kämpfer in den Bäumen nahmen ihn auf und wiederholten ihn. „Rorkhete! Rorkhete! Rorkhete!"
Geflochtene Matten und Vorhänge flogen zur Seite, als die Motana ihre Nester verließen und von allen Seiten losrannten, zu dem Fremden. Auch sie stimmten in den Ruf ein. „Rorkhete! Rorkhete! Rorkhete!" Ein Lied entspann sich aus den Rufen, rhythmisch unterstützt von den Stücken, die eben noch Alarm gegeben hatten. Das Lied der Motana wirkte auf Rhodan wie eine Kreuzung aus Gebet und Freudengesang, kein Ausdruck der Angst, sondern der Hoffnung.
Das Wesen auf dem Trike nahm die Gesänge reglos hin. „Ihr kennt ihn?", wandte sich Atlan an Zephyda. „Wer ist dieses Wesen?"
„Das ist Rorkhete der Nomade", erklärte Zephyda, ohne den Blick von dem wuchtigen Fremden abzuwenden. „Wir Motana kennen ihn seit langer Zeit. Er ist ein ruheloser Wanderer, der Baikhal Cain unermüdlich durchstreift."
„Wieso tut er das?"
„Es heißt, er sei auf der Suche nach der Medialen Schildwache."
„Und glaubst du das?", fragte Atlan ungeduldig.
Rhodan konnte sich ein gewisses Vergnügen nicht verkneifen, als er den Ton seines Freundes hörte.
Dem Arkoniden schien es nicht zu. passen, dass Zephyda ihre gesamte Aufmerksamkeit einem anderen schenkte. „Ich weiß es nicht", antwortete Zephyda. „Rorkhete hat meines Wissens noch niemals ein Wort über seine Absichten verloren. Aber welches Unterfangen außer der Suche nach der Schildwache könnte ihn dazu veranlassen, einsam über den Planeten zu ziehen?"
Die Motana umringten jetzt das Wesen auf dem Trike, hielten aber ehrfürchtig mehrere Schritte Abstand. Selbst die vorwitzigen Kinder wagten es nicht, sich Rorkhete weiter zu nähern. „Die Majestät! Macht Platz für die Majestät!"
Rhodan wandte sich in die Richtung, aus der der neue Ruf gekommen war. Die Planetare Majestät stieg aus einer Art Korbaufzug, der sie aus ihrem Nest zum Boden befördert hatte. Die alte Frau schwankte bedrohlich, als sie, auf ihren Wurzelstock gestützt, dem Fremden entgegeneilte, fiel aber nicht. Laut keuchend machte sie schließlich vor Rorkhete Halt. Ihre linke Hand, die sich an keinem Stockknauf festhalten konnte, zitterte.
Rorkhete schaltete den Pulsator-Motor ab. Das Trike senkte sich auf den Boden, und der wuchtige Fremde glitt von der Sitzfläche. „Es ist drei Generationen her, dass du uns das letzte Mal beehrt hast, Rorkhete", begrüßte ihn die Majestät. „Damals war ich ein Nestling und reichte meinen Eltern nicht einmal bis an die Hüfte. Ich erinnere mich noch gut, wie ich mich an den Oberschenkel meines Vaters geklammert und mich hinter ihm versteckt habe, solche Angst hatte ich vor dir!"
„Du brauchst keine Angst zu haben. Weder du noch die Motana." Die tiefe Stimme Rorkhetes war so voll, als wäre sie künstlich verstärkt, doch ein Blick auf die voluminöse Brust des Fremden überzeugte Rhodan davon, dass das nicht nötig war.
Weitere Kostenlose Bücher