2207 - Der letzte Gesang
dass alles nicht so schlimm sei, sich beizeiten von allein eine Lösung einstellen würde.
Karter hatte fähige Männer und Frauen gesehen, die dem Gift der Hoffnung erlegen waren. Ausnahmslos hatte die Realität sie abgestraft, mit harten Schlägen, von denen sie sich nicht wieder erholt hatten.
Ihm würde es nicht so ergehen.
Karter rief die Simulation auf, die er in der Nacht ausgearbeitet hatte. Er musste herausfinden, über welchen Spielraum er noch verfügte, wissen, welche Zugeständnisse er machen konnte und welche er rundheraus ablehnen musste, da sie zum sofortigen Zusammenbruch der Minen und damit zu seinem eigenen Ende führen würden.
Die Zeit bis zum Eintreffen des Kuriers verging wie im Flug. Viel zu früh kündigte die Ordonnanz den Besucher an, die Berechnungen waren noch lange nicht abgeschlossen. Aber immerhin hatte Karter eine Vorstellung davon, welche Konsequenzen verschiedene Entscheidungen beinhalten würden.
Der Kurier betrat das Büro. Hätte Karter nicht gewusst, dass es sich um einen anderen Mann handeln musste, er hätte ihn mit dem Kurier vom Vortag verwechselt. Ihm war die Arroganz zu eigen, die unweigerlich all jene ergriff, die im direkten Auftrag des Kybernetischen Kommandos agierten. Der Kurier strahlte eine selbstgefällige Sicherheit aus, eine Aura der Unberührbarkeit, die Karter unwillkürlich zum Widerstand anstachelte. „Willkommen auf Baikhal Cain!", begrüßte er den Kurier. „Zwei Kuriere des Kybernetischen Kommandos in zwei Tagen sind eine Ehre, die mich beinahe schwindeln lässt!"
Karter deutete auf die Designer-Sessel, mit denen er den Besucherbereich des Büros hatte ausstatten lassen; Symbole kultivierter Gastfreundschaft, insbesondere verglichen mit den harten Holzstühlen, mit denen sein Vorgänger im Gouverneursamt Besucher abgespeist hatte. „Ich danke dir", sagte der Kurier. „Aber es wird nicht nötig sein zu sitzen."
Er trat auf Karter zu und reichte ihm eine Hologrammfolie. „Hier, neue Befehle für dich."
Noch bevor der Gouverneur einen Blick darauf werfen konnte, fuhr der Kurier fort: „Ich muss weiter, dringliche Angelegenheiten erwarten mich. Das Kommando erwartet selbstverständlich umgehenden Vollzug!"
Der Kurier verließ den Raum. Raphid-Kybb-Karter schluckte seine Enttäuschung darüber, dass der Abgesandte HPC tfnmmon^nt! rlio nolld F,inHpht.l]nP mit keinem Blick gewürdigt hatte, hinunter und hob die Folie vor die Augen.
Als er den Text zu Ende gelesen hatte, wünschte er sich, er hätte niemals seinen Heimatplaneten verlassen, um nach Höherem zu greifen.
7.
„Was willst du zuerst sehen?"
Lesyde hüpfte ungeduldig auf und ab.
Das Mädchen gab sich keine Mühe zu verbergen, dass Rhodan seiner Ansicht nach endlos lange gebraucht hatte, das Seil vom Nest zum Boden herunterzuklettern. Er konnte sich ihre Gedanken richtiggehend vorstellen: Ein simples, senkrecht hängendes Seil! Mit Knoten zum Festhalten in regelmäßigen Abständen! Und hinunter, nicht hinauf! Lesyde verdrehte die Katzenaugen, als ließe sie die Ungelenkigkeit, deren Zeuge sie geworden war, schwindeln. „Hm, lass mich überlegen", sagte Rhodan. „Das Licht?"
„Das Licht?" Lesydes Enttäuschung wuchs noch. „Wieso ausgerechnet das Licht? Da gibt es doch nichts zu sehen!
Ich kann dir viel spannendere Dinge zeigen! Zum Beispiel..."
„Später. Jetzt will ich das Licht sehen." Als das Mädchen ihn weiterhin missmutig ansah, erläuterte der Terraner: „Ich weiß, für dich ist es nichts Besonderes, aber die Tour ist ja auch nicht für dich, sondern für mich gedacht. Die Residenz ist komplett von gleichmäßigem Licht erhellt, aber gleichzeitig verfügt ihr über keine der Quellen, aus denen mein Volk traditionell Licht erzeugt. Ihr habt keine Elektrizität, und Feuer könnt ihr nur sehr eingeschränkt nutzen, sorgfältig abgeschirmt, damit es die Kybb-Cranar nicht bemerken. Mich interessiert also brennend, wie ihr es anstellt, dass die Residenz erleuchtet ist.
Verstehst du?"
Lesyde scharrte verlegen mit einem Fuß auf dem Boden. „Nein. Was ist ...
Elektrizität?"
Rhodan lachte. „Tut mir Leid, Lesyde, das kannst du nicht wissen. Elektrizität ist ... das ist eine eher trockene Geschichte, aber wenn du willst, erkläre ich dir später, was das ist, okay? Eins nach dem anderen. Du zeigst mir die Residenz, dann erzähle ich dir Geschichten."
„Ja, ja. Schon klar."
Das Mädchen flüsterte die Worte widerwillig. Ihr ging es offensichtlich gegen den
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