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2207 - Der letzte Gesang

Titel: 2207 - Der letzte Gesang Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Unbekannt
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ließ.
    Raphid-Kybb-Karter ließ sich auf den Sessel hinter seinem Schreibtisch sinken. Die Stacheln des Igelwesens drangen tief in die mit Gel gefüllten Polster ein. Das Gel erfrischte ihn, kühlte seine Stacheln - er konnte zwischen verschiedenen Zusätzen wählen - und verlieh ihnen gleichzeitig einen jugendlichen Glanz. Stand er auf, verschlossen sich die Öffnungen im Bezug wieder automatisch. Es war das einzige Möbelstück seines Vorgängers, das er duldete, ein teures Einzelstück, das ihm - natürlich gründlich gereinigt und desinfiziert - noch lange Jahre gute Dienste leisten würde.
    Einen Augenblick lang lehnte er sich mit geschlossenen Augen zurück, genoss das Dasein, das Gefühl, an einem Ort angekommen zu sein, an dem er zufrieden sein würde - für zwei, vielleicht sogar drei Jahre. Spätestens dann würde sein Ehrgeiz von neuem in ihm erwachen und ihn weitertreiben.
    Der Gouverneur machte sich daran, die eingelaufenen Nachrichten abzuarbeiten. Mehrere hundert Glückwünsche zu seinem Aufstieg erwarteten ihn. Er überflog eine Hand voll von ihnen, dann wies er die Positronik an, in seinem Namen personalisierte Dankesnachrichten zu versenden. Die Geschenke, die mit vielen Glückwünschen verbunden waren, reihte er in seinen persönlichen Fundus ein.
    Dann waren die Bittsteller an der Reihe. Er ließ die Positronik die notorischen Nörgler und Bettler mit Standardantworten abspeisen. Einen Fall, der eine eindeutig ungerechte Vorgehensweise der Behörden erkennen ließ, suchte er heraus und machte ihn zur Chefsache. Es würde seine Stellung bei den einfachen Bürgern stärken, wenn er demonstrierte, dass er keine behördliche Willkür duldete, und gleichzeitig den Verwaltungsapparat disziplinieren.
    Die meiste Zeit verwandte er aber darauf, die Bestätigungen seiner in der Nacht gegebenen Befehle zu sichten.
    Ihre Empfänger versprachen ausnahmslos umgehenden Vollzug. Raphid-Kybb-Karter lehnte sich von neuem zurück.
    Seine Finger strichen über eine Kontaktfläche. Sekunden später brandete ein erregendes Kribbeln in den Spitzen seiner Stacheln auf, als der Wirkstoff, den er ausgelöst hatte, sich im Gel-Polster des Stuhls verbreitete.
    Der Gouverneur räkelte sich wohlig, träumte mit geschlossenen Augen vor sich hin, von dem Tag, an dem ihm niemand mehr im Sternenozean Befehle geben würde.
    Ein Knistern riss ihn aus seiner Idylle.
    Vor ihm entstand das Holo eines Offiziers. Der Mann brummte höflich. Als der Gouverneur nicht reagierte, brummte er ein zweites Mal, lauter. „Schon gut!" Karter öffnete die Augen. „Das genügt. Ich bin nicht taub!"
    Der Gouverneur richtete sich auf und sah den Mann an. „Was gibt es?" Seine Stacheln glitten aus dem anregenden Gel, aber die Wirkung würde noch mindestens eine halbe Stunde anhalten. „Gouverneur, eben ist ein Schiff auf dem Raumhafen gelandet. Es kommt vom Kybernetischen Kommando. Der Kurier an Bord will dich unverzüglich sprechen!"
    Das Prickeln in Karters Stacheln verpuffte schlagartig. „Was? Es war doch erst gestern einer ..."
    Er brach ab, beschämt darüber, dass er, Raphid-Kybb-Karter, sich so hatte gehen lassen. „Gouverneur?", fragte der Offizier unsicher in das Schweigen hinein. „Was sind deine Anordnungen. Soll ich ...?"
    „Natürlich! Bringe den ehrenwerten Kurier zu mir. Sofort, verstanden?"
    Der Offizier bestätigte die Anweisung, und das Holo erlosch knisternd.
    Ein neuer Kurier! Der zweite in zwei Tagen! Das konnte nichts Gutes bedeuten. Der Gouverneur stieß sich ab und ging unruhig umher. Was konnte der Kurier von ihm wollen? Eine weitere Steigerung der Förderquote? Das war schwer vorstellbar - aber das hatte auch für die letzte Steigerung gegolten.
    Der Gouverneur kehrte zu seinem Sessel zurück und ließ dem Gel eine beruhigende Mischung beimengen. Es dauerte nicht lange, und ihre Wirkung setzte ein.
    Vielleicht machte er sich unnötig Sorgen. Hatte er nicht in der Nacht anhand der Zahlen festgestellt, dass die Politik des Kybernetischen Kommandos keiner rationalen Basis entspringen konnte?
    Sie nicht von Dauer sein konnte? Vielleicht war der Wahnsinn schneller vorüber, als er zu hoffen gewagt hatte, und der Kurier widerrief die unsinnigen Anweisungen der letzten Wochen.
    Es war eine Annahme, die nicht auszuschließen war, aber Raphid-Kybb-Karter war ein Mann, der sein Leben lang vor den Gefahren des Wunschdenkens auf der Hut gewesen war. Allzu leicht gab man sich in schwierigen Situationen der süßen Hoffnung hin,

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