2207 - Der letzte Gesang
hier", knurrte das Mädchen irgendwann. „Du wolltest doch das Licht sehen, nicht?
8.
Lesyde führte Rhodan auf einer Abfolge von kaum sichtbaren Pfaden durch den Waldgürtel der Residenz. Nach ungefähr einer halben Stunde endete ihr Weg vor einer Wand aus undurchdringlichem Unterholz. Die Motana ging auf die Knie und kroch auf dem Bauch weiter.
Rhodan folgte ihr mit erheblichen Schwierigkeiten. Der Abstand zwischen dem Erdboden und den Büschen war gerade groß genug, um das Mädchen ungehindert passieren zu lassen. Rhodan dagegen musste gegen den Widerstand von Zweigen und Dornen angehen. Hätte er nicht seinen robusten Lederanzug getragen, die Pflanzenspitzen hätten sich tief in seine Haut gebohrt.
Nach einigen Metern lichtete sich das Unterholz. Lesyde hielt an und zeigte auf eine Stelle unmittelbar vor ihnen. „Da hast du dein Licht!"
Rhodan kroch an ihr vorbei. „Aber sei vorsichtig!", warnte sie ihn. „Du darfst nicht direkt hineinsehen!"
Rhodan beherzigte ihren Rat. Aus zusammengekniffenen Lidern blickte er in eine Röhre von ungefähr einem Meter Durchmesser, die im Boden verschwand. Ihre Innenseite wirkte wie ein Spiegel, er sah sein verzerrtes Ebenbild darin. Die Luft über dem Loch flimmerte vor Hitze. „Das musst du mir erklären", sagte Rhodan. „Was hat das zu bedeuten?"
Das Mädchen kroch neben ihn. „Das ist doch ganz einfach! Direkt über uns, in der Krone des höchsten Baums, ist ein Spiegel. Er fängt das Sonnenlicht ein und schickt es hier runter in die Röhre.
Und die Röhre schickt es in das Innere der Residenz."
„Das hatte ich mir bereits gedacht", sagte Rhodan. Er wandte den Kopf ab, um sich vor der Hitze zu schützen, die von dem unsichtbaren Lichtstrahl ausging. „Aber das ist noch die leichteste Frage. Wer, zum Beispiel, hat diese Röhren und Spiegel gebaut? Ich nehme an, es gibt viele von ihnen, oder?"
„Natürlich wir Motana." Lesyde ignorierte Rhodans zweite Frage. Der Terraner vermutete, dass sie keine Antwort auf sie wusste. „Und wann war das?" .„Weiß ich nicht. Bestimmt schon, als man die Residenz errichtet hat. Die Leute brauchten ja schon immer Licht."
Rhodan bezweifelte ihre Auskunft.
Der Bau des Systems, von dem er nur einen kleinen Teil vor sich sah, erforderte erhebliche Ressourcen - über die die Motana seines Wissens niemals verfügt hatten. „Und wie wird das Licht verteilt?", wechselte Rhodan das Thema. Es hatte keinen Sinn, mehr über den Ursprung des Systems aus Lesyde herauszufragen.
Er durfte nicht vergessen, dass sie nur ein Kind war. Ihr Wissen war beschränkt. „Und wie kommt es, dass es in der Residenz von überall her zu kommen scheint?"
„Puh, du hörst nie auf, Fragen zu stellen, was?"
„Das sagt die Richtige!"
Lesyde kicherte. „Du bist nicht auf den Mund gefallen!" Sie spuckte einen Kern aus. „Ich gebe dir deine Antworten, aber erst morgen. In Ordnung? Es ist schon spät, und die Antworten lassen sich leichter zeigen als erzählen." Das Mädchen versetzte ihm übermütig einen Stoß in die Seite. „Und außerdem haben wir einen Handel. Ich habe dir so viel gezeigt heute, jetzt schuldest du mir eine Geschichte!"
„Jetzt gleich?"
„Nein, ich weiß einen besseren Platz!"
Lesyde leitete Rhodan zu einer Stelle in der Nähe, in der der Boden von dichtem Moos bedeckt war. Sie streckte sich auf dem weichen Untergrund aus, räkelte sich wohlig und sagte: „So, jetzt erzähl mir eine Geschichte. Eine schöne Geschichte!"
„Eine schöne?" Rhodan überlegte. Es musste eine Geschichte sein, die das Mädchen nicht überforderte, die in einem Zusammenhang mit Lesydes Lebenswelt stand ... Ja, das würde passen.
Er musste nur ein paar Dinge ein wenig zurechtrücken. „Es war vor langer Zeit", begann Rhodan seine Erzählung, „auf der Erde, meiner Heimat. Dort gab es ein Land namens Afrika. Es war ein Land voller Wälder, mit Tieren und riesigen Bäumen, so wie der Wald von Pardahn." Er lächelte. „In dem Wald von Afrika lebte eine Frau namens Jane. Sie war ein Kind des Waldes. Sie wohnte in einem Baumhaus, ähnlich wie die Nester der Motana, lebte vom und für den Wald. Es gab keine größere Freude für sie, als sich an Lianen von Baum zu Baum zu schwingen und dabei laut zu singen."
„Was sind Lianen?", fragte Lesyde. „Seile, die von den Bäumen hängen, nur dass sie niemand gemacht hat. Sie wachsen einfach so."
Rhodan sah das Mädchen fragend an.
Sie schien mit der Antwort zufrieden. „Oft", fuhr er fort,
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