2207 - Der letzte Gesang
Residenz, dann machte das Mädchen Halt und bückte sich, als ob es etwas verloren hätte und es jetzt wieder aufheben wollte. „Los, rein mit dir!"
Lesyde hob eine geflochtene Matte an der einen Seite hoch.
Ein Loch im Boden wurde sichtbar. In die Erde gegrabene Stufen verloren sich im Halbdunkel.
Rhodan machte sich an den Abstieg.
Die Stufen waren steil und schmal. Vorsichtig nahm er eine nach der anderen, ohne zu versuchen, mit den Händen nach Halt zu tasten. Inzwischen kannte er die Motana gut genug, als dass er ein Geländer erwartet hätte.
Der Terraner zählte 22 Stufen bis zum Ende der Treppe. Unten angekommen, blieb er stehen und wartete darauf, dass seine Augen sich an die Dunkelheit gewöhnten. Lesyde drängte sich ungeduldig an ihm vorbei. „Sind nur ein paar Meter, dann sind wir da", sagte sie. „Taste dich vor. Ich will hier noch kein Licht machen, sonst verrät uns vielleicht der Schein, der durch die Bodenmatte dringt!"
Nach kurzer Zeit nahm Rhodan einen schwachen Lichtschein wahr, dann machte der Tunnel einen Knick, und der Terraner sah das Licht.
Es mündete in einen mehrere Meter hohen und breiten Glastank. Der Tank war bis an den Rand mit trübem, undurchsichtigem Wasser gefüllt. In dem Wasser trieben ... Klumpen. Rhodan fiel kein besseres Wort ein. Ihre Umrisse waren verschwommen und schienen überdies in stetigem Fluss, und.doch enthielten sie einen Kern von fester Substanz, der nicht von der starken Lichtquelle durchdrungen wurde, die den Glastank von hinten anstrahlte. „Und wieder ein Stück Licht für den neugierigen Menschen!", verkündete Lesyde. „Bist du jetzt zufrieden?"
Rhodan antwortete nicht. Er umrundete den Glastank, um die Lichtquelle zu erforschen. Ihn erwartete keine Überraschung. Die Lichtquelle entpuppte sich als eine verspiegelte Röhre, das Gegenstück zu derjenigen, die Lesyde ihm am Vortag im Waldgürtel der Residenz gezeigt hatte. Nur dass er jetzt das Ende einer solchen Röhre vor sich hatte, aus der das Licht wieder austrat.
Schweiß trat Rhodan auf die Stirn und den Rücken. Es war heiß hier unten, ein Teil der Energie, die das Licht transportierte, wurde offenbar in Wärme umgewandelt.
Und der übrige ...?
Der Terraner wandte sich dem Wassertank zu. Das Glas, aus dem er bestand, war von ungleicher Konsistenz, an manchen Stellen beinahe undurchsichtig, an anderen verzerrte oder vergrößerte das Material, was dahinter lag.
Rhodan fand eine Stelle, an der das Glas klar war und lediglich minimal verzerrte, und sah hindurch.
Die Klumpen waren in ständiger Bewegung, ob aus eigenem Antrieb oder ob sie von Strömungen umhergewirbelt wurden, war mit bloßem Auge nicht festzustellen. Möglicherweise traf auch beides zu: Was er vor sich hatte, waren Mikroorganismen, deren Extremitäten so klein waren, dass sie ihm verborgen blieben, deren Bewegung aber in vielmilliardenfacher Ausführung Strömungen in dem Tank auslöste, welche die Organismen wiederum mit sich rissen. „Was ist das da drinnen?", fragte er. „Das sind Lichttierchen", antwortete Lesyde. „Aber sehr kleine, man sieht nicht viel von den einzelnen. Was du da siehst, sind Klumpen von vielen. Wenn ich das gewusst hätte, hätte ich dich zu einer anderen Lichtbank gebracht. Es gibt viele von ihnen."
„Und diese Lichttierchen werden größer?"
„Ja. Ungefähr so groß wie die kleinen Mücken, die einen draußen im Waldgürtel in der Dämmerung überfallen." Das Mädchen zeigte ihm mit Hilfe von Daumen und Zeigefinger, welche Größe diese Insekten hatten. Zwischen den beiden Fingerspitzen blieb nicht mehr Platz als für einen terranischen Floh. „Und die Lichttierchen leben von der Sonne?"
Rhodan war kein Biologie. Er nahm an, dass die so genannten Lichttierchen von terranischen Wissenschaftlern als Pflanzen klassifiziert würden. „Nicht nur. Alle weichen Essensabfälle - also alles, was nicht in die Nestsäcke wandert - wird in die Tanks gekippt. Und dann noch ... noch ..."
„... der Inhalt der Latrinen", half Rhodan dem Mädchen aus seiner plötzlichen Verlegenheit.
Sie warf ihm einen anerkennenden Blick zu. „Woher weißt du das?"
„Habe ich mir gedacht." Rhodan zeigte wieder auf den Tank. „Also gut, ihr fangt das Sonnenlicht mit Spiegeln ein, leitet es unter die Residenz und pumpt es in die Lichttierchen. Und ich nehme an, die Lichttierchen setzen es wieder frei, nicht wahr?"
Lesyde nickte. „Aber hier unten nützt euch das Licht nichts. Ihr braucht es oben in der
Weitere Kostenlose Bücher