2213 - Der Traum von Gon-Orbhon
ihrer Ausbildung als TLD-Agentin hatte sie solche Situationen trainiert. Sie wusste, was zu tun war, um die Beweglichkeit ihrer Glieder so schnell wie unter solchen Umständen möglich wiederherzustellen.
Darüber hinaus verfügte sie über die nötige Nervenstärke und Belastbarkeit, nicht zuletzt auch gestählt durch ihre Erlebnisse in ZENTAPHER, als sie mit einem Architekten der Chaotarchen und einem Diener der Materie näheren Kontakt gehabt hatte. Die Erinnerungen dieser uralten Wesen trug sie teilweise noch immer in sich.
Andere, die dem Tode so nah gewesen waren wie sie noch vor kurzer Zeit, wären vielleicht unter dem Eindruck der Ereignisse zusammengebrochen oder durch ein psychisches Trauma handlungsunfähig geworden. Sie streifte ab, was hinter ihr lag, und wandte sich den Fragen zu, die sie viel mehr beschäftigten.
Mondra rief Bre an. Nach mehreren vergeblichen Versuchen meldete sich die Xenopsychologin. „Ich bin voll in Action", sagte sie mit atemlos klingender Stimme. „Ist es wirklich so dringend, dass du nicht ein paar Stunden warten kannst? Ich habe wirklich alle Hände voll zu tun. Ich bin auf eine Sache gestoßen, die meine volle Konzentration verlangt."
„Ich möchte nur wissen, was mit dir los ist", erwiderte Mondra. „Wenn ich weiß, dass alles in Ordnung ist, lasse ich dich in Ruhe."
„Natürlich ist es das." Bre Tsinga schien erheitert zu sein, als ob ihr die Frage vollkommen unsinnig erschien. Sie ging in die Offensive. „Wieso sollte etwas nicht in Ordnung sein? Ich finde, du benimmst dich seltsam, seit wir bei Carlosch Imberlock waren. Könnte es sein, dass er dich mehr beeindruckt hat, als gut für dich ist? Bist du sicher, dass du mir nichts zu sagen hast?"
„Ziemlich", sagte Mondra vorsichtig. „Wo bist du?"
Unwillig nannte Bre eine Adresse. „Wir reden später miteinander", schloss sie ebenso energisch wie geheimnisvoll. „Ich melde mich bei dir. Versprochen. Wir treffen uns bei dir ihm Büro." Sie schaltete ab, ohne eine Antwort abzuwarten.
Mondra fühlte sich in ihren Befürchtungen bestärkt. Es war nicht Bres Art. Sie musste einen schwerwiegenden Grund haben, sich so zu verhalten. Oder es gab etwas, das sie verändert hatte.
Sie kehrte in ihre Wohnung zurück, um ihre durchnässte Kleidung auszuziehen, heiß zu duschen und in Ruhe nachzudenken. Bre stand ihr sehr nahe, und sie wollte nichts tun, was ihre Freundschaft und das Vertrauensverhältnis zueinander beeinträchtigen konnte. Fraglos war es ein Vertrauensbruch, wenn sie ihr nachspionierte. Im umgekehrten Fall hätte sie kaum Verständnis dafür gehabt.
Und doch schien es notwendig zu sein. Irgendetwas war nicht so, wie es hätte sein müssen, und es sah nicht so aus, als habe es damit zu tun, dass Bre einem illegalen Geschehen auf die Spur gekommen war und in ihren Ermittlungen nicht gestört werden wollte. Es ging um Bre Tsinga selbst.
Mondra brauchte lange, bis sie einen Entschluss fasste. Dann aber machte sie sich schweren Herzens auf, um die Suche nach der Xenopsychologin fortzusetzen. Im Schütze eines unsichtbar machenden Deflektorfeldes näherte sie sich der Adresse, die Bre Tsinga angegeben hatte. Sie lag mitten in einem verschachtelten Wohnviertel, in dem keines der Häuser höher als zwei Stockwerke war. Die Gebäude waren eingebettet in weitläufige Parkanlagen mit Teichen, Bächen und einem kleinen Wasserfall. Es war einer der schönsten Bezirke von Terrania, gestaltet von namhaften Architekten aus aller Welt. Überraschend war, dass sich kaum jemand in den Anlagen aufhielt. Auch vor den Häusern, auf den Terrassen und Baikonen waren nur sehr wenige Menschen zu sehen. Spielende Kinder waren nur auf einem kleinen Spielplatz zu beobachten. Während Mondra langsam auf ihrem Antigravskater über einige Bäume hinwegglitt, fielen ihr einige Frauen auf. Sie strebten einem zeltartigen Gebäude von beträchtlichen Ausmaßen am Rande der Siedlung zu.
Diese Adresse hatte Bre Tsinga angegeben. In der Halle fand eine Veranstaltung statt.
Zielstrebig näherte sich Theorod Eysbir dem Versammlungsgebäude. Die Türen standen offen, so dass er die Stimmen vernahm, die aus dem Inneren klangen. Eine männliche Stimme war dabei. Er hoffte, dass sie Carlosch Imberlock gehörte. Dieser Mann war das Ziel seiner Aktion. Ihn wollte er töten, so, wie das Medium des Gottes Gon-Orbhon seine Tochter Sagha getötet hatte.
Auge um Auge. Zahn um Zahn, dachte er. Steht schon in der Bibel. Kann so falsch also nicht
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