2215 - Der Schohaake
Zügen, bis die Flasche halb leer war. Sofort breitete sich ein Gefühl der Wärme in ihm aus, und sein Kopf wurde klarer. Das Zittern der Hände hörte auf. Sie gehörten ihm wieder.
Er verstaute die Flasche wieder und wollte schon zurück zum Feuer gehen, als er den Druck an seiner Brust spürte. Er erschrak. An Snaussenid hatte er kaum noch gedacht, solange seine Gedanken durch die Unterversorgung mit Alkohol abgelenkt gewesen waren.
Er öffnete die Jacke und schaltete die elektrische Beleuchtung der Hütte an, die, wie der Ofen auch, von einer Brennstoffzelle gespeist wurde. Im Kunstlicht sah er Orren Snaussenid in der Schlinge liegen, die Augen weit geöffnet. Der Außerirdische starrte ihn an. Aber das war noch nicht alles. Seine Ärmchen bewegten sich, ebenso die kleinen Beine.
Es kam Skargue wie ein Wunder vor. Der Außerirdische war aus seiner totenähnlichen Starre erwacht! Er öffnete sogar den Mund und sagte mehrmals in schneller Folge seinen Namen und dazu: „Schohaake!". „Es wird alles gut", hörte Skargue sich sagen, obwohl er überhaupt keine Erklärung für die plötzliche Aktivität des Wesens hatte. War es wirklich ein gutes Zeichen - oder ein letztes Aufbäumen vor dem endgültigen Ende?
Orren Snaussenids kleiner Körper schien geschrumpft zu sein. Vielleicht bildete sich der Wissenschaftler das auch nur ein. Drei Tage ohne Nahrung konnten nicht ohne Folgen bleiben. Dass Snaussenid nichts zum Leben brauchte, war unwahrscheinlich.
Und wer konnte schon wissen, wann er zum letzten Mal etwas zu sich genommen hatte - dort, wo er herkam.
Orren Snaussenid stieß einen erbärmlich klingenden Schrei aus. Dann erstarben seine Bewegungen. Die großen Augen schlössen sich wieder. Er lag in der Schlinge wie tot.
Für bange Sekunden glaubte Alexander Skargue tatsächlich, dass sein Schützling in diesem Augenblick gestorben war. Doch dann ertastete er wieder den schwachen Herzschlag. Orren Snaussenid war und blieb ihm ein absolutes Rätsel. Er schien um sein Leberi zu kämpfen, in einer ihm fremden Welt, einer fremden Umgebung.
Wozu? Hatte er eine Mission zu erfüllen und wartete nur darauf, die richtigen Leute zu finden? Plötzlich wurde dem Biologen bewusst, dass er und der Alien eigentlich in der gleichen Lage waren.Snaussenid musste nach Otta, um dort Hilfe zu finden - Psychologen, Mediker oder andere Fachleute; vielleicht Apparate.
Und er, er musste nach Otta, um das zu bekommen, ohne das er nicht mehr leben konnte: neuen Schnaps. Es waren mindestens noch drei Tage Marsch.
Am nächsten Morgen wachte Alexander Skargue benommen auf. Er hatte fast die ganze Nacht über wach gelegen, voller banger Gedanken an die nächsten Tage, und war erst kurz vor Sonnenaufgang eingeschlafen. Er war satt, hatte sich am Abend den Bauch mit Bärenfleisch gefüllt. Den Rest hatten sie gegrillt und in seinen Thermobehälter getan. Dieser Vorrat würde sicherlich bis nach Otta reichen.
Anders der Alkohol. Skargue wusste, dass es sein letzter Schluck sein würde, aber er brauchte ihn. Sven Hastud schien noch zu schlafen, er lag auf der rechten Seite.
Sam hockte vor seinem Bett und winselte leise. Noch dachte Skargue sich nichts dabei.
Das änderte sich erst, als er im Rucksack nach seiner Flasche kramte. Er geriet in Panik, als er sie nicht fand. Er schüttete den gesamten Inhalt des Rucksacks aus, aber da war nichts. Pure Angst trieb dem Biologen den Schweiß auf die Stirn. Sein Herz klopfte, als er aufstand und sich langsam umdrehte.
Er entdeckte die Flasche erst beim zweiten Hinsehen. Sie lag zwischen dem anderen Müll vor Hastuds Bett - leer! „Du verdammtes Schwein!", schrie Skargue. „Was war ich für ein Narr, dich mitzunehmen! Besser wärst du verreckt!"
Er stürzte auf den Wilderer zu und drehte ihn auf dem Bett auf den Rücken. Im nächsten Augenblick erstarrte er.
Hastud hatte ihm nicht nur die Flasche gestohlen, sondern auch das Jagdmesser. Es musste gewesen sein, als er endlich eingeschlafen war. Der Wilderer hatte so lange gewartet, und dann ...
Sein rechter Arm gehörte nicht mehr zu ihm. Skargue fand ihn auf der anderen Seite des Bettes. Er stand fassungs- und ratlos vor dem Mann, der seinen hochprozentigen Selbstgebrannten getrunken hatte, um den Amputationsschmerz zu betäuben - wenigstens einigermaßen.
Sven Hastud hatte sich selbst verstümmelt, weil er die Schmerzen nicht mehr ertragen konnte und verhindern wollte, dass die Entzündung auf den restlichen Körper übergriff.
Das
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