2215 - Der Schohaake
einen neuen Regenguss, doch der aufkommende Wind trieb die Wolken so schnell wieder weg, wie er sie gebracht hatte.
Hastud redete kein Wort. Skargue fragte sich, was alles er in seinem Rucksack hatte, außer dem Bärenfleisch, das zu schneiden er ihm gestattet hatte.
Etwa Schnaps? Falls ja, wie viele Flaschen?
Skargues Magen krampfte sich wieder zusammen. Er hatte Verlangen nach einem guten Schluck, aber er wusste, dass er sich den Schnaps einteilen musste, bis sie Otta erreichten. Er schwitzte leicht, obwohl ihm kalt war. Sein Herz schlug heftiger als normal. Der Biologe biss die Zähne zusammen. Er musste mindestens noch ein paar Stunden aushalten.
Schweigend marschierten sie weiter. Erst am frühen Abend erreichten sie eine Jagdhütte am Wegesrand. Sie war verlassen, die Tür war nur angelehnt. Alexander Skargue betrat sie als Erster. Hastud folgte, mit Sam dichtauf.
Es sah aus wie auf einem Schlachtfeld. Überall lagen leere Dosen, Schachteln und Beutel herum. Der Boden war mit Müll übersät, die Möbel waren beschmutzt und zerschnitten. Hier hatte seit Wochen oder Monaten niemand mehr sauber gemacht.
Es war eine Zumutung für jeden Wanderer. „Touristenpack!", schimpfte Skargue. „Wenn es nach mir ginge, wären unsere Wälder für sie gesperrt."
„Eine Schweinerei", stimmte ihm Hastud zu. „Ich könnte wenigstens zwei der Betten in Ordnung bringen, damit wir bequem schlafen können."
Skargue antwortete nicht. Beinähe hätte er drei gesagt, verbiss es sich aber gerade noch rechtzeitig. Er hatte dem Wilderer bisher Orren Snaussenid weder gezeigt noch von ihm erzählt und wusste auch nicht, ob und wann er dies ändern würde. Er wusste im Augenblick noch nicht einmal, ob sie wirklich übernachten würden. Er ging wieder hinaus. Neben der Hütte befand sich eine Feuerstelle. Es waren sogar unter dem weit überhängenden Dach trockene Holzscheite gestapelt. Und es gab ein Grillgestell aus Eisen.
Skargues Magen litt nicht nur unter der ausbleibenden Alkoholzufuhr. Der Wissenschaftler hatte seit dem Vortag nichts Vernünftiges mehr gegessen. Jetzt bot sich die Gelegenheit, das zu ändern.
Hastud kam aus der Hütte, als Skargue genügend Holzscheite aufgeschichtet hatte.
Der Wilderer hatte tatsächlich zwei der insgesamt fünf Betten wieder halbwegs hergerichtet. Jetzt half er Skargue mit seinem gesunden linken Arm, das Grillgestell zur Feuerstelle zu schleppen. „Wie im finstersten Mittelalter", kommentierte er. „Ich habe diese Terra-Nostalgiker immer für Spinner gehalten. Jetzt bin ich froh, dass es Leute gibt, die wie ihre Ahnen leben wollen."
Skargue setzte mit seinem Handstrahler ein Feuer in Gang. Der leichte Wind sorgte bald dafür, dass sich die Glut gleichmäßig verteilte. Skargue legte einige Stücke Bärenfleisch auf den Grillrost, Hastud gab zwei Brocken aus seinem eigenen Vorrat dazu.
Auf der anderen Seite der Hütte verlief ein kleiner Bach. Die Männer und Sam tranken von dem klaren Wasser. Skargue half Hastud, der sich mit der linken Hand abstützte und mit der rechten nichts anfangen konnte. Sie hing schlaff herab und schien ohne Gefühl zu sein. „Danke", sagte der Wilderer. „Es ist schlimmer geworden. Ohne einen Arzt werde ich den Arm verlieren."
„So weit sind wir noch nicht", versuchte Skargue ihn aufzumuntern. Er verachtete ihn noch immer, aber er hatte inzwischen Mitleid mit ihm. „Lass mich noch einmal nachsehen."
Hastud streckte ihm den rechten Arm entgegen. Es war dämmrig geworden. Skargue leuchtete mit der Taschenlampe auf die Wunde, nachdem er den Verband entfernt hatte. Er nickte grimmig, als er sah, wie weit die Entzündung fortgeschritten war.
Insgeheim musste er den Wilderer bewundern. Er hatte sicher furchtbare Schmerzen. Trotzdem kam kein Laut der Klage über seine Lippen.
Skargue erneuerte den Verband. Das war alles, was er tun konnte. Er besaß keine antibiotischen Medikamente - nur den Alkohol, und den brauchte er selbst.
Wie sehr er ihn brauchte, das merkte er, als sie am Feuer saßen und in die Flammen starrten. Jetzt, da er keine Abwechslung mehr hatte, spürte er die volle Wucht des Entzugs. Er versuchte, das Zittern seiner Hände vor Hastud zu verbergen. Die innere Kälte wurde immer schlimmer. Sein Atem ging nur noch stoßweise.
Es hatte keinen Sinn. Als er es nicht mehr aushielt, ging er unter einem Vorwand in die Hütte und holte zitternd die Flasche aus dem Rucksack, den er neben der Eingangstür abgestellt hatte. Er trank in hastigen
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