2218 - Die Epha-Matrix
brechen wir nicht ab", verkündete Aicha den Mitgliedern ihrer Gruppe. „Wir werden den Choral an den Schutzherrn in jedem Fall beenden." Larua, Kurian und die anderen nickten anerkennend. Aicha gab Larua das Zeichen, dass sie wieder beginnen sollte. Und sie setzte mit heller, begnadeter Stimme an: „Wir danken dir, oh Dank dir, Jopahaim." Die anderen fielen nacheinander ein, bis die Luft von einem mächtigen Chor erfüllt war. Es ließ sich gut an, fand Aicha, und das beflügelte sie. „Wir folgen dir durch den Sternenozean, gehorchen Jopahaim." Aicha sang aus voller Lunge weiter, sie spürte die Kraft in sich, den Choral zu tragen. Aber sie stand auf verlorenem Posten, es strömte keine Energie von den anderen Motana auf sie über. Es war, als müsse sie allein gegen einen Sturm ansingen. Bei der Verszeile „Wir folgen deiner Fährte durch das Sternenmeer" merkte sie, dass einige der Gruppenmitglieder ihr betroffene Blicke zuwarfen. Und Aicha wurde mit einem Mal bewusst, dass sie es nicht schaffte. Sie konnte sich einfach nicht in die richtige Stimmung steigern, um die anderen Motana mitzureißen. Aber sie machte weiter, sie hatte es versprochen. Aicha hätte am liebsten heulen mögen, so elend war ihr zumute.
Sie fühlte sich als Versagerin. Sie konnte sich nichts vormachen, sie war am Ende. Da erklang plötzlich eine zusätzliche Stimme. Aicha traute ihren Ohren nicht, als sie sie erkannte. Der neue Sänger intonierte einen Text, der nichts mit dem Choral zu tun hatte, aber so geschickt in ihn eingeflochten wurde, als sei er ein fester Bestandteil. „Von Nord bis Süd, verzweifelt dich gesucht, oh Schwester", sang Gorlin in seinem unverkennbaren Bariton. Er kam an ihre Seite und legte einen Arm um sie, während sie sich in perfekter Eintracht der Danksagung an den Schutzherrn hingaben. Deshalb hatte ihr der Kybb-Cranar keine Auskunft über ihren Bruder geben können, weil Gorlin bereits entlassen worden war!
Der Choral ging weiter, erreichte einen ersten Höhepunkt mit der Silbenfolge „suibi sui isuise... se se suibis ses". Jetzt spürte Aicha einen steten Strom aus purer Energie auf sich überfließen. Die Sänger und Sängerinnen waren ihre Quellen, aus denen sie die Kraft des Übersinnlichen bezog. Bilder bauten sich vor ihrem geistigen Auge auf, irrationale Szenen in einer phantastischen Landschaft, wie kein Motana vorher sie je gesehen hatte. Sie ließ die Bilder explodieren und setzte die Splitter zu neuen Mustern zusammen. Es ging alles so leicht und spielerisch, Aicha brauchte sich nicht anzustrengen, um die Schwelle in noch phantastischere Gefilde zu überschreiten. Auf einmal war sie losgelöst von allem. Von der Schwerkraft dieser Welt. Von ihrem Körper. Von der Dimension, in der das Fleisch den Geist knechtete. Aicha nahm unbewusst wahr, wie Kybb-Cranar ihre Gruppe umringten und aufgeregt und staunend ihre Messgeräte bearbeiteten. Gleich gebe ich euch etwas zum Staunen! ,dachte Aicha. Und dann sah sie, wie ein Kybb-Cranar schwerelos vom Boden abhob. Er stieg zappelnd auf. Immer höher, bis von ihm nichts mehr zu sehen war. Ein zweiter Kybb-Cranar erhob sich verzweifelt schreiend in die Lüfte. Und dann ein dritter und vierter. Sie stiegen auf wie Luftballons, die vom Wind geschüttelt wurden. Es waren Aichas letzte Eindrücke. Sie verlor die Besinnung. Sie erwachte mit heftigem Pochen im Kopf. Als sie die Augen aufschlug, war ihr Blick verschwommen. Sie sah über sich ein unscharfes Oval, das sie für ein Gesicht hielt. Gorlin! ,dachte sie. Der Bruder hatte sie in die Unterkunft getragen und auf ihr Lager gebettet. Aber die Stimme, die zu ihr sprach, war nicht Gorlins. Sie war weiblich und ihr nicht ganz fremd, aber auch nicht vertraut. „Du hast es gerade noch geschafft", sagte die spöttische weibliche Stimme. Allmählich wurde Aichas Blick klar, und sie sah Careves Gesicht über sich. Careve fuhr fort: „Aber bilde dir nicht zu viel darauf ein.
Ich bin viel besser als du. Am Ende werde ich den Vorzug vor dir genießen und ein Raumschiff steuern, Aicha."
„Warum redest du so mit mir, Careve?", fragte Aicha und stützte sich auf. Sie fühlte sich noch immer schwach. Sie hatte Kopfschmerzen, und ihr schwindelte. Sie verstand überhaupt nicht, was Careve von ihr wollte. „Was habe ich dir getan?"
„Du bist meine Konkurrentin, und darum herrscht Kampf zwischen uns", sagte Careve feindselig. „Es kann nur eine von uns beiden siegen. Und das werde ich sein." In diesem Moment erklang
Weitere Kostenlose Bücher