2219 - Rorkhete
eine Motana versinken können. Selboo streckte den Arm aus und strich vorsichtig mit den Fingern über eine Rinne. Sie war warm, fast Wie die Haut eines Lebewesens. Er zog die Finger überrascht zurück, dann fasste er Mut und legte die Handfläche in die Rinne. Die Wärme kribbelte auf seiner ausgekühlten Haut.
Wozu diese Rinnen wohl dienen?, überlegte er laut. Sie sind feucht. Wahrscheinlich läuft das Regenwasser in ihnen ab. Aber wieso verlaufen sie nicht einfach senkrecht die Wand hinunter?
Vielleicht wäre ihren Erbauern das zu langweilig erschienen. Wenn alle Motana sich mit Kleidern begnügten, die warm und trocken halten und sonst nichts, hätte ich mein Leben lang nicht viel zu tun gehabt.
Selboo verkniff sich einen Kommentar. Was wusste der alte Schneider schon von der Welt, dass er sich traute, mit Vermutungen aufzuwarten?
Die beiden Motana gingen an der Seite der Pyramide entlang. Ab und zu durchbrachen milchige Fenster, ebenso unregelmäßig wie die Rinnen, die Fläche. Die Fenster waren von innen erleuchtet. Sie blieben vor einem stehen, damit Resar neue Kräfte schöpfen konnte. Selboo ließ die Scheibe nicht aus den Augen. Einmal glaubte er einen Schatten zu sehen, aber er bewegte sich so schnell wie ein Pfeil und war längst verschwunden, bevor er Resar auf. ihn aufmerksam machen konnte. Falls er nicht ohnehin ein Produkt seiner überreizten Phantasie gewesen war.
War es möglich; dass diese Stadt verlassen war? Aber wohin waren dann ihre Bewohner gegangen? Oder waren sie gestorben? Erwarteten ihn und Resar irgendwo Berge von Skeletten?
Die Unruhe in Selboo wuchs. Als sie schließlich an einen Eingang gelangten, war er beinahe versucht, kehrtzumachen. Aber die Anwesenheit des Alten hielt ihn zurück. Er wollte sich vor Resar keine Blöße geben.
Und außerdem - diese Stadt stellte alles in den Schatten, was er von den Kybb-Cranar gesehen hatte. Ihre Erbauer mussten den Peinigern der Motana weit überlegen sein. Vielleicht hatten sie Mittel und Wege gefunden, sich die Kybb-Cranar vom Leib zu halten ...
Resar stimmte ein Lied an. Der schneidend kalte Wind trug seine Stimme davon, schien sie mit seinem Pfeifen zu unterstützen. Einige Angehörige der Motana-Besatzung der SHALAVDRA stammten aus der Residenz von Pardahn. Sie hatten davon erzählt, dass Rhodan mit einem Holzröhrchen Töne wie der pfeifende Wind gemacht hatte, nur länger und regelmäßiger. Diese Töne hatten an Gesang erinnert. Selboo hatte die Erzählungen als die Ausgeburten überspannter Phantasien abgetan. Perry Rhodan sprach ein hartes, unmelodisches Jamisch, das den Motana manchmal an das der Kybb-Cranar erinnerte.
Doch jetzt ... Selboo war unendlich weit weg von zu Hause, in einer Stadt, deren Größe seine Vorstellungskraft sprengte. Vielleicht war an den Geschichten etwas dran. Vielleicht sogar an der von dem Mädchen, das sich auf geheimnisvolle Art zu dem Pfeifen Rhodans bewegt hatte. Und das so kunstvoll, dass diejenigen, die ihm zugesehen hatten, mit leuchtenden Augen davon erzählten. Ohne es bemerkt zu haben, war Selboo in den Gesang Resars eingefallen. Resar sang den Choral an die Schützende Sonne. Selboo kannte die Worte auswendig, auch wenn er den Choral seit vielen Jahren nicht mehr gesungen hatte. Der Motana glaubte nicht an die Gunst der Gestirne, ganz gleich ob nah oder fern, er vertraute dem geschwinden Pfeil in seinen Fingern oder noch besser dem kühlen Metall eines Strahlergriffs.
Selboo trat an die Tür. Das Pfeifen des Windes brach ab, zog den gnädigen Schleier weg, den es über die brüchige Stimme des Alten gelegt hatte. Die Tür rührte sich nicht. Selboo streckte eine Hand aus, drückte. Das Material war ähnlich warm wie das der Außenwand. Es gab nicht nach. Resar trat hinter ihn, flüsterte ihm seinen dünnen Gesang beinahe in das Ohr.
Selboo sah sich suchend um. Das dunkle Material der Wand war an dieser Stelle glatt. Würde er an dieser lächerlichen Tür scheitern? Würden ihm die Geheimnisse dieser Stadt verschlossen bleiben?
Er wünschte, dass er einen Strahler bei sich hätte, wie er sie in seinem Depot im Hain gehortet hätte. Dann hätte er das Hindernis einfach zerstrahlt.
Selboo fuhr herum und sah Resar direkt ins Gesicht. Kannst du nicht endlich den Mund halten? Du benimmst dich wie ein Kind! Wo ist denn deine schützende Sonne? Selboo zeigte mit ausgestrecktem Arm zu der dichten Wolkendecke hinauf.
Resar senkte wortlos den Kopf. Er verstummte.
Na also. Warum nicht gleich
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