222 - Angriff auf die Wolkenstadt
darauf, dass die Nomaden versuchen würden, der Flüchtenden mit dem Dampfwagen zu folgen. Taten sie es zu Fuß, war sie verloren.
Nefertari blickte noch einmal nach Westen. Höchstens dreihundert Schritte trennten die Horde der Schwarzbärte noch von ihr und dem Dampfwagen. Die ersten Männer lösten sich bereits aus der Gruppe der anderen.
Nefertari sprang auf, schulterte den Rucksack und rannte los. Sie hatte während der Fahrt neue Kräfte tanken können und kam gut voran – sogar schneller als die Nomaden, die bereits eine weite Strecke zurückgelegt hatten.
Deswegen folgten sie Nefertari auch nicht weiter, sondern versammelten sich um den Dampfwagen. Aruula betete zu Wudan, dass ihr Plan gelang.
Wudan hatte ein Einsehen. Nefertari war etwa fünf Speerwürfe weit gekommen, als eine gewaltige Explosion die Morgenstille zerriss. Die Druckwelle war noch bis hierher zu spüren.
Nefertari fuhr herum und starrte zurück. Wo der Dampfwagen gestanden hatte, erhob sich jetzt ein schwarzer Rauchpilz.
Ich habe uns erneut das Leben gerettet, sagte Aruula in ihrem Kopf. Vergiss das nicht gleich wieder, Königin…
***
Etwas länger als eine Stunde brauchten sie bis zur nördlichen Ankerstation der Wolkenstadt. Die Morgensonne hatte sich zu diesem Zeitpunkt längst von den Baumwipfeln gelöst und begann in den Himmel zu steigen.
Grao’sil’aana wusste, dass er bis zum Sonnenuntergang Zeit hatte, die Weichen für den Untergang der Stadt zu stellen.
Etwa dreihundert Meter von der nördlichen Ankerstation entfernt versteckten sie sich im Unterholz am Rande der ausgedehnten Rodung, die alle vier Verankerungssockel der Wolkenstadt umgab. Von dort aus beobachteten sie eine Zeitlang, wie die Patrouillen kamen und gingen.
Daa’tans Stoßtrupp fand die Angaben der Gefangenen bestätigt: Vier Patrouillen aus je sechs Mann waren hier Tag und Nacht unterwegs. In genau festgelegten Zeitintervallen marschierten sie ständig von Sockel zu Sockel.
Der steinerne Verankerungssockel – einer von vieren, die Wimereux-à-l’Hauteur am Boden hielten – besaß die Form einer Pyramide. Aus seiner Spitze führte ein mächtiges Tau zum nördlichen Rand der Wolkenstadt, die etwa sechshundert Meter über der Rodung und dem Wald schwebte.
Der Daa’mure spähte hinauf. Ein wahrhaft beeindruckendes Gebilde war das, und gegen seinen Willen musste er den Schöpfer dieser Konstruktion bewundern. Unbegreiflich, dass so ein Bauwerk fliegen konnte!
Von den Spähern des Huutsi-Heeres und vor allem von Yabandu und den anderen Überlebenden der aufgeriebenen Patrouille wusste er eine Menge über die Wolkenstädte. Das Grundgerüst, eine Raumgitterkonstruktion aus einer mutierten Bambusart, hatte einen Durchmesser von tausend Metern. In ihm steckte ein riesiger linsenförmiger Trägerballon, der in neun Kammern unterteilt war. Eine Mischung aus vulkanischem Methangas und erhitzter Luft füllte jede der Kammern und die zusätzlichen neun Stabilisierungsballons, die rund um die Stadt angeordnet und mit ihrem Außenrand verbunden waren.
Ausgedehnte Methanfelder im Boden unter der Stadt speisten den Trägerballon und die Stabilisierungsballons über einen großen Versorgungsschlauch. Der ragte unter der Mitte der Wolkenstadt aus einer großen Pyramide und führte von dort aus sechshundert Meter zu ihrem Unterboden hinauf.
Von ihrer Deckung aus konnten der Daa’mure und sein Gefährte zwei der westlichen und fast direkt über sich einen der nördlichen Stabilisierungsballons erkennen. Auch die dampfgetriebene Aufzugskabine konnten sie in diesen Minuten beobachten. Langsam kroch sie am westlichen Verankerungstau in die Tiefe.
Um eine schwebende Stadt wie diese zum Absturz zu bringen, müssten nach Graos Berechnungen mindestens drei Stabilisierungsballons auf einer Seite ausfallen. Wenn man zugleich die zugehörigen Manövrierpropeller ausschaltete, müsste es sogar ausreichen, zwei Ballons zu zerstören. Noch wirkungsvoller war ein zusätzlicher Angriff auf eines der Verankerungsseile. Den sollten Safrayus und Do vom Boden aus führen.
Sie hatten an alles gedacht, hatten alles durchgeplant. Ob es funktionieren würde?
Mit den rund um die Stadt postierten Batterien von Speerwerfern und Dampfdruckkanonen würden Daa’tans Huutsi- und Wawaakrieger sich auseinandersetzen müssen.
Vor allem mit den Stellungen im Norden der Stadt.
Die nächste Patrouille tauchte zwischen den Büschen auf.
Die kaiserlichen Soldaten trugen ungewöhnliche Uniformen:
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