222 - Angriff auf die Wolkenstadt
schob den Vorhang der Sänfte zur Seite. Die Krieger und Frauen um sie herum trugen Fackeln. Der Wald lichtete sich. Der Mond stand über dem See. Es war nach Mitternacht.
In Marschrichtung erhob sich ein großes Gebilde mit glatten Seiten aus dem Wald. Es sah aus wie ein endloses Gebäude.
Dampffontänen von Kanonen schossen auf seiner Oberkante in die Höhe. »Was ist das?«, fragte sie einen Krieger, der nicht weit neben ihrer Sänfte marschierte.
»Die Wolkenstadt des Kaisers!«, rief eine Männerstimme; sie erkannte Mongoo.
»Wir haben sie vom Himmel geholt!«, triumphierte Bantu neben ihm.
Eisiger Schrecken fuhr der Königin in die Glieder. Der Atem stockte ihr. Fassungslos starrte sie durch die Dunkelheit zu dem riesigen Gebilde. »Vom Himmel…?«, kam es krächzend über ihre Lippen.
Die Boten, schoss es ihr durch den Kopf. Unter keinen Umständen durften Osamao und der alte Imyos innerhalb der Stadt gefunden werden!
Auf einmal stand ihr die Vision der toten Seherin vor Augen. Ihr war, als spürte sie die Dornen jetzt schon ihre Haut durchbohren. Sie schnappte nach Luft, eine kalte Hand schien sie zu würgen.
»Mombassa und der Göttliche waren die Helden!« Mongoos Stimme lachte.
»Sie haben sich in der Stadt verschanzt!«, rief Bantu zu ihr hinauf. Wieder dröhnte Kanonendonner. Ein Geschoss heulte über die nächtlichen Baumwipfel und schlug irgendwo im Unterholz dreihundert Schritte weiter westlich ein. »Die Kaiserlichen wehren sich mit Nägeln und Zähnen!«
Elloa schöpfte Hoffnung. »Die Stadt ist nicht erobert?« Sie versuchte die Bedauernde zu mimen, doch es gelang ihr nicht.
»Noch nicht!«, tönte Mongoo. »Doch der König hat bereits mit eigener Hand kaiserliche Soldaten getötet!«
»König Daa’tan musste sich zurückziehen!«, rief Bantu.
»Die Gegenwehr war zu groß! Doch er hat Gefangene gemacht!«
Elloa erfuhr, dass Daa’tan sämtliche Kaiserliche, die am Boden operiert hatten, gefangen genommen oder getötet hatte.
Sie hörte, dass die Stadt eingekesselt war. Bis zum Morgengrauen wollte Daa’tan seinem Heer ein paar Stunden Ruhe gönnen. Kurz vor Sonnenaufgang sollte dann der Sturm auf die Kaiserstadt beginnen.
»Beten wir für den König«, sagte sie und lächelte tapfer.
»Beten wir, dass er einen raschen und vollständigen Sieg erringt!«
Die Königin zog den Vorhang vor das Sänftenfenster.
Zitternd sank sie in das Sitzpolster. Sie kaute auf ihrer Unterlippe herum und wischte sich den Schweiß von der Stirn.
Sollte es Daa’tan tatsächlich gelingen, die Stadt einzunehmen, war sie verloren. So viel war klar.
Sie beugte sich über ihre Knie, faltete die Hände und rief sämtliche Götter an, deren Namen sie je gehört hatte. Bis zum Morgengrauen betete sie für den Sieg Wimereux-à-l’Hauteurs.
Dann schlug die Stunde der Wahrheit.
FORTSETZUNG FOLGT…
Das Abenteuer geht weiter!
Im nächsten Band lesen Sie: Niemand scheint Daa’tan aufhalten zu können; Wimereux steht vor dem Fall. Seine Eltern sind zwar nichts ahnend unterwegs zur Wolkenstadt, aber ob sie gegen den missratenen Sohn etwas ausrichten können? Zumal Aruula nicht mehr sie selbst ist.
Doch Nefertaris Geist, der sie übernommen hat, soll eine dramatische Überraschung erleben. Die wartet auch auf Grao’sil’aana, sofern Daa’tan erfahren sollte, dass er dessen Mutter in einem Pharaonengrab dem Sterben überließ. Und auf Elloa, wenn ihr frisch Vermählter ihren Verrat bemerkt.
Die größte Überraschung aber wartet auf Daa’tan selbst…
Die Sünden des Sohnes Der zweite Teil des Doppelbandes von Jo Zybell
ENDE des ersten Teils
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