2229 - Zuflucht der Motana
Nächten wie diesen mit Vernunft zu argumentieren.
Die Korridore der SCHWERT lagen im Halbdunkel der Nachtperiode. Der Arkonide wäre am liebsten nach draußen gegangen und hätte etwas frische Luft geschnappt, aber das war unmöglich. Draußen tobte nach menschlichen Begriffen ein Sturm - die Motana von Tom Karthay würden es als laues Lüftchen empfinden - ,und außerdem stank es. Es hatte beinahe zwei Tage gedauert, bis Atlan nach ihrem ersten und bisher einzigen Ausflug auf die Oberfläche von Tom Karthay den Modergeruch wieder losgeworden war. Er schien bis in die letzte Hautpore gekrochen zu sein.
Ziellos schlenderte Atlan durch das Schiff. Er begegnete niemandem, was ihn nicht verwunderte. Bis auf ein Basisteam schlief die Besatzung.
Atlan fand sich schließlich vor der Tür der Medo-Station wieder. Einer Laune folgend, betrat er den kleinen Raum. Hier gab es nur einen Patienten: Lotho Keraete. Atlan verharrte vor dem Boten von ES, der ihn und Rhodan in den Sternenozean gelockt hatte. Wozu?, fragte er sich in Gedanken. Wozu das alles?
Keraete gab keine Antwort. Sein metallischer Körper, in dem sich irgendwo noch der Mensch verbergen mochte, der er einmal gewesen war, lag nur reglos da. Seit seiner Bergung aus dem Eis des Landes Keyzing versuchte Echophage vergeblich, Keraete ein Lebenszeichen zu entlocken.
Atlan riss sich los, wanderte ruhelos weiter. Nach einiger Zeit führte ihn sein Weg zur obersten Ebene der Zentrale. Er zögerte, dann fiel ihm ein, dass Aicha heute Nacht Dienst hatte. Er musste nicht befürchten, Zephyda zu begegnen.
Atlan betrat die Zentrale. Sie war leer. Weder von Aicha noch von dem halben Dutzend Motana, die sie als Quellen unterstützten, war die geringste Spur zu sehen.
Die SCHWERT war bewegungsunfähig! Würde der Kreuzer jetzt angegriffen, war er wehrlos. „Echophage!", rief Atlan. „Ja."
„Wo ist Aicha? Wo sind ihre Quellen? Haben sie nicht Dienst?"
„Das haben sie."
„Verflucht noch mal, was ist dann hier los?"
„Aicha hat Wichtigeres zu tun. Alle Motana an Bord haben sich in der Gemeinschaftskabine zu einer Versammlung getroffen."
Atlan sprintete los, ohne weiter nachzufragen. Echophage gehorchte ihm und Rhodan nur widerwillig, ließ sich, wie Rhodan sagte, „die Würmer aus der Nase ziehen". Er zog es vor, die Motana zur Rede zu stellen, als zu versuchen, der Biotronik die Hintergründe über die Versammlung zu entlocken.
Was ist nur in sie gefahren?, fragte er sich, während er im zentralen Antigravschacht ein Deck tiefer schwebte. Zephyda war innerhalb kürzester Zeit in die Rolle der Kommandantin hineingewachsen. Die Sicherheit des Schiffs ging ihr über alles, und sie scheute sich nicht, auch unbequeme Befehle zu geben, wenn sie es für nötig erachtete.
Atlan verließ den Antigravschacht und rannte den Korridor entlang. Die Tür zu der Gemeinschaftskabine, die die Motana auch „Höhle" nannten, tauchte vor ihm auf.
Und davor... Selboo.
Der Motana hatte sich breitbeinig vor der Tür aufgebaut, die Arme vor dem Körper verschränkt. Er sah Atlan aus mit schwarzen Strichen umrahmten Katzenaugen entgegen.
Der Arkonide hielt zwei Schritte vor dem Motana an. Gerade außerhalb der Reichweite von Selboos Fäusten, wie ein Teil seines Bewusstseins registrierte. „Selboo, was ist los? Die Zentrale ist verlassen!"
„Ich Weiß."
„Wir sind wehrlos! Die Paramag-Werfer sind unbemannt, und wir sind manövrierunfähig."
„Das ist mir klar. Aber das hier kann nicht warten."
„Was kann nicht warten?" Atlan wollte einen Schritt auf Selboo zumachen, aber ein Blick in die Pupillen des Motana, die sich verengten, hielt ihn zurück. „Selboo, bitte, sag mir, was los ist! Was kann so wichtig sein, dass ihr unser aller Leben aufs Spiel setzt?"
Die Antwort kam zögerlich, als wolle Selboo sein Wissen nicht mit ihm, dem Nicht-Motana, teilen. „Sie halten Gericht."
„Und du bist die Wache, die dafür sorgt, dass niemand sie stört?"
„Nein. Ich bin der Angeklagte."
„Du bist was?"
„Ich habe getötet, Atlan."
„Du hast dafür gesorgt, dass wir nicht getötet werden! Bei den Sternengöttern, was ist in dich gefahren?"
Atlan war fassungslos. Er war im Großen Imperium der Arkoniden erzogen worden. Das Recht auf Selbstverteidigung war ihm eine Selbstverständlichkeit - ebenso wie die Gabe, es bei Notwendigkeit großzügig zu interpretieren. „Du kannst das nicht beurteilen", beschied ihm Selboo, als hätte er seine Gedanken erraten. „Du bist keiner
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