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223 - Die Sünden des Sohnes

223 - Die Sünden des Sohnes

Titel: 223 - Die Sünden des Sohnes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jo Zybell
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wahr«, sagte Nefertari mit fester Stimme.
    »O doch, das ist wahr. Leider.« Seine Augen füllten sich mit Tränen. »Im Tal der Könige hast du diesen Grabräuber getötet und bist in die Wüste geflohen! Die Matrosen des Schiffes haben dich am Ufer gesehen.«
    »Du irrst dich!«, sagte Nefertari. »Ich wollte dir die Wahrheit eigentlich ersparen, aber mir bleibt wohl keine Wahl. Auch wenn es so entsetzlich für dich ist, dass du an meinen Worten zweifeln wirst.«
    Daa’tan setzte den Kelch ab und sah sie irritiert an. »Wovon sprichst du?«
    Nefertari straffte sich. Ernst sah sie ihn an. »Ich rede von deinem Daa’muren. Er hat dich betrogen und hintergangen! Er hat versucht, mich zu töten…«
    »Hör auf!« Mit der Faust schlug Daa’tan auf den Tisch. »Sprich nicht so über Grao!«
    »Er hat mich niedergeschlagen und in einer Grabkammer eingesperrt«, fuhr Nefertari ungerührt fort. » Er war es, der den Grabräuber getötet hat, und dann nahm er meine Gestalt an und spielte euch ein Schmierentheater vor.«
    »Das… das glaube ich nicht!«, ächzte Daa’tan.
    »Er hat dir erzählt, ich hätte dich im Stich gelassen, nicht wahr?«, sagte Nefertari. »Er hat die Suche nach mir geleitet, aber sie blieb ergebnislos. Stimmt es nicht?« Nefertari schrie jetzt. »Und du hast ihm geglaubt! Du hast geglaubt, ich, deine Mutter, könnte dich im Stich lassen! Was bist du nur für ein Sohn?!«
    »Hör auf!« Das pure Entsetzen hatte sich auf Daa’tans Züge gelegt. Doch Nefertari kannte keine Gnade.
    »Diese gerissene Echse hat gleich zwei Fliegen mit einer Klappe geschlagen: Er hat mich beseitigt – und von diesem Tag an hatte er dich ganz für sich allein! Sein Pech, dass ich aus seiner Todesfalle entkommen bin!«
    »Niemals würde Grao so etwas tun!« Daa’tan Stimme brach und sank auf ein Flüstern hinab. »Hör auf! Hör auf! Hör auf!«
    Die Tür wurde aufgezogen, ein Diener stand auf der Schwelle. »Verzeih, mein König…«
    »Raus, oder ich lasse dir die Haut abziehen und dich rösten!«
    »… aber der Göttliche will dich unbedingt sprechen!«
    Eine silberschuppige Klaue packte den Diener an der Schulter und stieß ihn zur Seite. Grao’sil’aana trat in den Thronsaal.
    ***
    Bei Anbruch der Nacht bewegte sich die Stadt. Zugleich brandete Jubel auf. Rulfan spähte zu dem Luftschiff hinauf, das ungefähr zwanzig Meter hoch über dem Nordosten der Wolkenstadt schwebte. Entweder zogen Schiffe das riesige Bauwerk nach oben, oder der Trägerballon und die Stabilisierungsballons waren wieder mit Gas gefüllt worden. Oder beides.
    Rulfan war es gleichgültig. Wichtig für ihn war nur der lärmende Jubel über ihm. Alles, was ihm akustische oder optische Deckung bot, sollte ihm recht sein. Er kletterte nach oben.
    Zahllose Wunden brannten auf seiner Haut. Kleine Wunden, nicht der Rede wert, doch die meisten hatten sich entzündet. Den halben Tag lang, bis zum Abend, hatte er die Dornen mit seinem Dolch bearbeitet. Jetzt war er frei.
    Oben angekommen, spähte er nach allen Seiten. Nur wenige Wachen patrouillierten auf dem Stadtrand, der jetzt, da der linsenförmige Ballonkörper prall gefüllt war, wieder eben lag. Die Luftschiffe und der Jubel in der Stadt lenkten sie ab. Dennoch erschien es Rulfan zu gefährlich, jetzt schon in die Stadt einzudringen. Auf der Plattform und an Bord der Roziere hielten sich zahlreiche Menschen auf. Zu groß war die Gefahr, entdeckt zu werden.
    Er wartete ungefähr eine Stunde lang, und als weder das Luftschiff landete, noch die Leute sich zurückzogen, hangelte er an dem Trägerballon entlang, bis er ein Gebäude fand, das nahe an den Stadtrand gebaut war. Er huschte hinüber und fand ein Fenster, dessen Scheibe er mit dem Ellbogen einschlug. Er lauschte hinein – nichts zu hören – und zwängte sich hindurch.
    In dem Raum dahinter war es dunkel, nur durch eine offene Tür fiel ein wenig Licht. Rulfan richtete sich auf und streckte sich; zum ersten Mal seit vierundzwanzig Stunden war er dazu wieder in der Lage. Die erzwungene, kauernde Haltung hatte ihm zugesetzt. Seine Knochen und Gelenke taten ihm weh. Gleichgültig. Er zog seinen Säbel und schlich aus dem Zimmer.
    Ein paar Frauen und Kinder und zwei alte Männer hielten sich in dem Gebäude auf; einfache Leute. Sie hockten in einem kleinen, von einer Insektenlampe erhellten Raum. Als sie Rulfan entdeckten, erschraken sie mächtig. Er legte den Zeigefinger auf die Lippen und bedeutete ihnen, ihn nicht durch unüberlegte

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