223 - Gaston, Diana - Die mysteriöse Miss M
wurde mit fortschreitender Tageszeit immer depressiver. Einige der Debütantinnen, vor allem die jüngsten unter ihnen, verhielten sich unsicher und ängstlich, andere dagegen so forsch, als wollten sie im nächsten Moment ihre Verlobung verkünden. Keine von ihnen war jedoch wie Madeleine, und sobald er den Vergleich zu ihr zog, fiel sein Urteil über die Anwesenden nur noch betrüblicher aus. Er wollte bei Madeleine sein, selbst wenn er ihr nur im Salon dabei zugesehen hätte, wie sie mit der Nähnadel kämpfte. Und er wollte Linette auf seinem Schoß sitzen haben und ihrem vergnügten Geplapper lauschen.
Als er am Morgen vor dem Spiegel stand und die Kleine neben sich hielt, da waren ihm die identischen Stirnpartien und die Grübchen aufgefallen, die das Mädchen mit ihm gemeinsam hatte. Für seine Tochter und ihre Mutter würde er der Pflicht nachkommen, die Ned ihm auferlegt hatte – für niemanden sonst.
Er entschuldigte sich bei jener unbedeutenden Frau, die den letzten Tanz mit ihm absolviert hatte, und begab sich zu Serena, die sich zu Lady Sefton und den anderen Patroninnen gesetzt hatte.
Besorgt sah sie ihren Schwager an.
„Sie machen das sehr gut, Lord Devlin“, lobte Lady Sefton ihn lächelnd. „Ich glaube, Sie haben bei unseren jungen Damen einen bleibenden Eindruck hinterlassen.“
„Sie sind auch alle sehr reizend.“
„Wie charmant von Ihnen, Sir. Ich bin mir sicher, Sie werden die freie Wahl haben.“
Er sah sie ein wenig verwundert an. „Das ist mein erster Abend in der Gesellschaft, Ma’am. Ich bin nur hier, um eine angenehme Zeit zu verbringen.“
Serena wich seinem Blick aus. Vermutlich wusste sie, dass er log. Oder sie war nach wie vor nicht mit seiner Entscheidung einverstanden, Neds Bedingung zu erfüllen und zu heiraten.
„Wünschen die Ladies Erfrischungen? Vielleicht ein Glas Zitronenlimonade?“ Wenn er schon hier war, konnte er sich auch gleich nützlich machen.
„Eine ausgezeichnete Idee.“ Lady Sefton nickte zustimmend.
Devlin ging in den Raum, in dem die Erfrischungen ausgeschenkt wurden, als hinter ihm eine Stimme ertönte.
„Steele? Ich glaube es nicht, das bist du ja wirklich!“
Als er sich umdrehte, entdeckte er einen schlanken jungen Mann mit extrem hohem Stehkragen und kunstvoll geknotetem Halstuch, der ihn breit angrinste.
„Duprey!“
Der andere Mann schmunzelte. „Steele, dich habe ich nicht mehr gesehen, seit man dich aus Oxford weggeschickt hat. Ich schätze, seitdem hast du nur weiter Unsinn getrieben, wie?“
Robert Duprey war zu Schulzeiten ein ausgesprochener Pedant gewesen, der immer darauf aus war, andere Schüler anzuschwärzen, sobald die gegen die Regeln verstießen.
„Ich war in der Armee, Duprey.“
„Wirklich? Hm, klingt sogar logisch. Auf die Weise konntest du dir wenigstens keine Schwierigkeiten einhandeln, was?“ Er lachte immer noch so krächzend wie damals auf der Schule.
„Du hast völlig recht.“ Devlin nahm die beiden ihm gereichten Gläser Limonade.
„Sag mal, hast du die Mandelmilch probiert? Grässliches Zeug.“ Duprey nahm einen Schluck.
„Entschuldige mich bitte“, sagte Devlin und ging um den ehemaligen Mitschüler herum, doch Duprey folgte ihm in den Ballsaal. „Wer ist denn das wundervolle Geschöpf da neben Lady Sefton? Sie sieht ja perfekt aus!“
„Die Frau meines Bruders.“ Dann ging Devlin einfach weiter, brachte den Damen ihre Limonade und sah sich gelangweilt im Saal um.
Duprey schlenderte zu einer jungen Frau in einem blassgelben Kleid und unterhielt sich mit ihr. Die Art, wie sie sich bewegte, und ihr Gesichtsausdruck ließen die Frau auf Devlin vertraut wirken, doch sie sah nicht so markant aus, als dass er sich an sie hätte erinnern müssen.
Er kehrte zu Duprey zurück und stellte sich zu ihm. „Ich wollte dich nicht einfach so stehen lassen“, gab er vor. „Ich dachte, du wärst hinter mir.“
„Ich hätte mir ja auch gern diesen Engel dort drüben vorstellen lassen“, erwiderte Duprey. „Aber als du mir sagtest, wer die Schönheit ist, hatte sich die Sache erledigt.“
Die junge Frau neben Duprey folgte geduldig der Unterhaltung und sah mit ihren hellblauen Augen Devlins Schulkamerad an.
Als Devlin sie anlächelte, reagierte sie auf die gleiche Weise. „Vielleicht könntest du mich vorstellen …“, begann er.
„Oh, aber natürlich“, erwiderte Duprey und schlug sich angesichts seiner
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