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223 oder das Faustpfand - ein Kriminalfall

223 oder das Faustpfand - ein Kriminalfall

Titel: 223 oder das Faustpfand - ein Kriminalfall Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Residenz
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verstecken, beruhigt sich aber schnell.
    »Franz! Tibor! Es wird Zeit!«, mahnt der Bauer.
    Wortlos steht der junge Moser von seinem Platz auf und gibt Tibor ein Zeichen. Der Beginn einer Freundschaft, die Jahrzehnte halten wird.
    Am späten Nachmittag des 3. Mai 1945 trifft der Wagen des DRK Melk, ein umgebauter Opel Blitz, von Gottsdorf kommend am Ortsrand von Persenbeug ein, wo er von einem von Revierinspektor Winklers Untergebenen etwa auf Höhe des Gasthauses
Zum Goldenen Ochsen
abgefangen wird. Der Gendarm steigt ein und geleitet den Wagen zur Ortsmitte. Der Opel Blitz ist auf Holzvergaser-Motor umgerüstet worden und erreicht daher nur eine Höchstgeschwindigkeit von zirka 35 Kilometer pro Stunde, für die engen Gassen Persenbeugs mehr als genug. Der Fahrer ist ein verhungert aussehender, dunkelblonder Ost-Hiwi mit großer Hornbrille in einem Potpourri aus vielfach geflickten Uniformteilen verschiedener Wehrmachtswaffengattungen, der einen klaren Auftrag hat, sonst aber offensichtlich von nichts weiß. Sonst ist niemand im Wagen, schon gar kein Sanitäter oder gar ein Arzt.
    Inzwischen hat Revierinspektor Winkler Dr. Weisz noch einmal in sein Büro rufen lassen und den Mediziner über das Gespräch mit Landrat Dr. Convall informiert.
    »Sie gehen jetzt aus meinem Zuständigkeitsbereich, und ich wünsche Ihnen und Ihrer Familie alles Gute und viel Glück!«, schloss der Gendarm seine Rede förmlich.
    Wie viel Glück werden wir noch brauchen, um all das zu überleben?, dachte Dr. Weisz, während er dem Revierinspektor ebenso förmlich für seine Bemühungen dankte.
    »Auf das Wort eines Landrats ist Verlass«, fügte Winkler noch hinzu.
    »Kennen Sie Dr. Convall persönlich?«, konnte sich Dr. Weisz nicht verkneifen zu fragen.
    »Ehrlich gesagt nein, aber Sie brauchen sich trotzdem keine großen Sorgen mehr zu machen.«
    Dr. Weisz schwieg daraufhin nur mehr.
    »Sie können auch versichert sein, dass wir für ein würdiges Begräbnis der Ermordeten sorgen werden«, versicherte der Revierinspektor.
    In ungeweihter Erde und ohne Rabbiner, dachte der Mediziner.
    Als der DRK-Wagen schließlich am Marktplatz von Persenbeug eintrifft und der Gendarm auf der Beifahrerseite von den Fenstern des Postens aus sichtbar wird, bricht beinahe Jubel unter Winklers Untergebenen aus. Eifrig tragen sie die kaum gehfähigen Überlebenden zum Wagen und bringen sie auf dessen Ladefläche unter. Der Hiwi sieht ihnen mit unbewegtem Gesicht zu und raucht eine selbst gedrehte, dünne Zigarette mit viel zu wenig Tabak.
    Der Abschied erfolgt ohne große Worte. Korporal Landler hat noch etwas Brot und ein paar hart gekochte Eier organisiert, die den 6 Überlebenden mitgegeben werden. Revierinspektor Winkler beauftragt ihn am Marktplatz, den DRK-Wagen bis nach Klein-Pöchlarn zu eskortieren, und hat sogar einen schriftlichen Marschbefehl vorbereitet. Im Auto ist allerdings kein Platz mehr, dem Korporal wird das bessere, leichtgängigere Fahrrad des Postens zugeteilt. Mit einem Holzvergaser-Wagen kann er damit relativ leicht Schritt halten.
    »Wenn es am Weg irgendwelche Schwierigkeiten geben sollte, berufen Sie sich auf den ausdrücklichen, fernmündlich erteilten Befehl des Landrates!«, befiehlt ihm Winkler.
    »Jawoll, Herr Revierinspektor.«
    Eigentlich würde der seinen Leuten nun am liebsten freigeben, und zwar bis über den Einmarsch der Russen hinaus, aber es gibt noch genug zu tun.
    Mitten auf dem Persenbeuger Marktplatz, im Schatten der uralten, riesigen Marktlinde, vergattert Revierinspektor Winkler seine 4 ihm noch verbliebenen Männer in dem sachlichen, leisen, aber gespannten Befehlston, den sie an diesem Tag schon zur Genüge von ihm kennen, nach Hofamt Priel zurückzugehen und in den Gehöften und Häusern rund um die 3 Exekutionsorte und auf den Routen vom Judenlager dorthin nach Zeugen zu suchen und ihm diese zur Befragung auf den Posten zu schicken.
    »Und wenn es keine Zeugen gibt? Wenn uns gar keiner als Zeuge mitgeht?«, gibt Soukop, der seine Pappenheimer kennt, mehr müde als übellaunig zu bedenken.
    Revierinspektor Franz Winkler sieht seinen Untergebenen wie ein störrisches Kleinkind an, das soeben etwas sehr Dummes geäußert hat.
    »›Wenn uns keiner als Zeuge mitgeht, Herr Revierinspektor?‹ heißt das zunächst einmal«, antwortet der stellvertretende Postenkommandant mit zusammengebissenen Zähnen.
    »Also, wenn keiner als Zeuge mitkommt, wenn es keinen Zeugen gibt, Herr Revierinspektor?«, gibt Korporal

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