2232 - Wiedergeburt
Fahrzeuge im Auge zu behalten, die von unten beziehungsweise hinten anrollen, das ist ganz schön haarig.
Und jeder von uns hat nur einen einzigen Versuch ...
Er gewahrte mit einem Mal, dass er in Schweiß gebadet war. Und das kam nicht vom vorhergegangenen Stiegensteigen.
Oltran und er selbst zählten nicht unbedingt zu den athletischsten Angehörigen der Tu-Ra-Cel. Ihre Vorgesetzten hatten schon mehrfach moniert, dass sie das vorgeschriebene regelmäßige Kraft– und Ausdauertraining mit sehr geringem Engagement betrieben. In Wahrheit hatten sie die entsprechenden Einheiten geschwänzt, wann immer sich dazu Gelegenheit geboten hatte. „Wir sind eben Kopfarbeiter", hatte Ollie diese Haltung gerechtfertigt: „Im Zweifelsfall sind Hirnzellen allemal wichtiger als doofes Muskelgewebe."
Das mochte schon stimmen. Jetzt aber wünschte sich Stentral, weniger faul gewesen zu sein.
Inzwischen hatte auch der vierte Kralasene, Hy'Timon, das obere Ende der Rampe erreicht und verschwand aus Stens und Oltrans Gesichtsfeld. Sogar er war mehrfach in Schwierigkeiten geraten.
Offenbar hatten Dichte und Geschwindigkeit des Containerverkehrs zugenommen. Nur noch sie beide waren übrig. Wie auf Kommando wandten sie einander die Köpfe zu. Oltrans Augen wurden von der Antiflex-Scheibe verborgen. Gleichwohl meinte Sten vor Höllenangst geweitete Pupillen zu erkennen.
Sein Partner sprach kein Wort. Stentral wusste auch so, was er ihm mitteilen wollte. „Da hast du uns ja wieder was Schönes eingebrockt."
*
Was geht in deinem hässlichen Schädel vor? Denkst du ebenso oft an mich wie ich an dich?
Schmiedest du Rachepläne für den Fall, mir deine Niederlage und Gefangennahme heimzahlen zu können?
Wieder und wieder hatte Kantiran dem Hund im Geist diese Fragen gestellt, während er ihn durch die halbseitig transparente Wand beobachtete. Doch Shallowain gab mit keiner Regung zu erkennen, wie es in ihm aussah.
Die meiste Zeit hielt sich der Cel'Athor mit zeitlupenhaft langsam ausgeführten DagorÜbungen geschmeidig. Dabei stierte er genauso ausdruckslos in die Luft wie in den Ruhepausen, die er auf seiner Pritsche sitzend oder liegend verbrachte. Weder an seiner Körpersprache noch an seiner Mimik ließ sich irgendetwas ablesen und an seinen starren, niemals blinzelnden Kunstaugen schon gar nicht.
Er musste annehmen, dass er pausenlos unter Beobachtung gehalten wurde. Einzig in der winzigen Hygienezelle gab es keine Kamera. Eine typisch terranische Humanitätsduselei, fand Kantiran. Wahrung der Intimsphäre eines Individuums und so.
Aber das hier ist nicht irgendein Individuum! Das ist Shallowain der Hund, der kaltblütigste und gewissenloseste Mörder dieser Epoche!
Gewiss hatte der Kralasene das Arrangement seines Gefängnisses längst durchschaut und wusste, dass ein Ausbruch aus eigener Kraft selbst ihm unmöglich war. Man hatte ihm seine Spezialwaffe abgenommen, die kostspielige Strega, seine Implantate nach einer eingehenden Untersuchung hingegen belassen, da sie unter diesen Umständen keinen Schaden anrichten konnten. Die Nägel seiner Finger sahen ganz gewöhnlich aus. Tatsächlich waren die drei Millimeter über die Kuppen hinausragenden Kanten rasiermesserscharf abgeschliffen. Plastiküberzüge kaschierten die Schneiden. Doch Shallowain brauchte einen oder mehrere der Fingernägel nur gegen eine harte Oberfläche zu drücken, dann platzten die Überzüge ab und gaben die Klingen frei. Hier in der Zelle nützten sie ihm freilich wenig. Die Ynkonitverstärkten Mauern seines Gefängnisses hätte er damit nicht einmal ankratzen können, und niemand begab sich zu ihm hinein, den er hätte überwältigen und als Geisel nehmen können.
Die Kunstaugen stellten drei verschiedene, zusätzliche Funktionen zur Verfügung: Ein miniaturisierter Funkempfänger suchte stets den nächsten Nachrichtensender und blendete dessen Fließtext in Shallowains Gesichtsfeld ein. Ein klassischer Text-Nachrichtenticker, der zurzeit nichts anzeigen konnte, da die Zelle lückenlos abgeschirmt war. Hinzu kamen eine Infrarot- und eine Achtfach-Teleskopfunktion, die in der stets beleuchteten, nur rund fünf Meter langen Zelle ebenfalls keinerlei Vorteile brachten. Die Kunstaugen reagierten auf spezielle akustische Kommandos und verfügten bewusst nicht über eine Funk-Fernsteuerung, damit Shallowains Gesichtssinn nicht von außen durch einen Zufall oder absichtliche Blendung gestört werden konnte. Seit Kantiran ihn belauerte, hatte der
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