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2233 - Das Specter

Titel: 2233 - Das Specter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Unbekannt
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Knallte mit der Nase auf das harte Parkett, dass ein ganzer Ozean aus Sternen vor ihm tanzte. Während er den Kopf hob, spürte er zweierlei.
    Erstens, dass seine Nase blutete. Zweitens, dass er errötete. Heiße Scham stieg in ihm hoch.
    Und höher.
    Und, da die Tarnhülle verrutscht war, ungehindert bis hinauf zur Infrarot-Optik der an der Decke direkt über ihm angebrachten Kamera.
    Im nächsten Moment schloss er geblendet die Augen. Die Beleuchtung hatte sich eingeschaltet.
    Aufgrund einer Verkettung unglücklicher Zufälle, dachte Stentral, und er hasste sich in diesem Augenblick selbst dafür, wurden wir schließlich leider doch aufgespürt.
    Weshalb ich euch, liebe Kinder, diese tolle Geschichte dummerweise nie werde erzählen können.
     
    7.
     
    Neustart Sie willigte ein.
    Und es geschah ...
    Der Eispavillon schrumpfte, implodierte mitsamt dem alten, miesepetrigen Maulwurf, schmolz zu einer ölig schwarzen Pfütze. Stieß sie zugleich von sich weg, stülpte sie aus sich aus, schleuderte sie von dannen.
    Ein Schweif aus Nebel, Niesel und Hagel folgte ihr. Sternenstaub; Informationen, die auf sie, in sie eindrangen. Mit jedem Quantum, jedem Quäntchen veränderte sie sich; wurde zu jemand, nein: etwas anderem.
    Als der letzte Tropfen, der letzte Sterntaler, das letzte Wissensbisschen absorbiert und der Vorgang abgeschlossen war, benötigte die neue, buchstäblich nie da gewesene Entität eine für ihre Verhältnisse sehr lange Zeit, sich der Umgebung und ihrer selbst bewusst zu werden. Draußen, in der Welt der Körperlichen, mochten derweil ganze Millisekunden verstrichen sein. Die Wesenheit blickte sich um, in alle Richtungen zugleich. Oder besser: Sie fühlte; denn ihre Wahrnehmung und Durchdringung der so genannten Realität war eine viel vollständigere, ganzheitlichere. Alle Eindrücke nahm sie nun simultan auf mehreren Ebenen wahr, in zahlreichen verschiedenen Interpretationen.
    Beispielsweise empfand sie die unscheinbare schwarze Pfütze zugleich auch als mathematisches Konstrukt, als Schnittstelle zu KHASURN, als Arsenal für Reminiszenzen und ehemalige Gefühle, als Reste von sterbend in die Bionik transmittierter Gehirnmasse, als Verankerung der ÜBSEF-Konstante eines verstorbenen humanoiden Lebewesens ... Als ihre digitalisierte Seele, ihren Erinnerungsschatten; ihr konserviertes, ausgelagertes und dennoch pulsierendes Herz. Der dünne, elastische Faden, der sie damit verband, stellte zugleich eine Datenleitung dar, eine Blutbahn, eine Kette aus Gleichungen, eine Nabelschnur, einen Kabelstrang zur Energieversorgung und, und, und ...
    Und sie?
    Was war sie?
    Mit Sicherheit nicht Maykie Molinas. Auch nicht Mole und der Maulwurf schon gar nicht. Alle diese Variationen ihrer Persönlichkeit existierten so nicht mehr, waren mit der leiblichen Person vergangen, verschieden für immer.
    Sich an diesem alten Selbstverständnis festzuklammern war ein Fehler gewesen; wenn auch aus der Panik heraus verständlich, die sie nach dem Alarm erfasst hatte. Als nicht viel weniger falsch, weil hoffnungslos anmaßend, hatte sich herausgestellt, sich mit dem System zu identifizieren, in dem sie Unterschlupf gefunden hatte.
    Sie war schlicht und einfach kein Mensch mehr – aber deshalb noch lange keine Biopositronik!
    Der Versuch, zu denken wie KHASURN, musste entweder in hyperaktiven Wahnsinn oder selbstverliebte Passivität ausarten; jedenfalls scheitern. Genauso wie das Unterfangen, der Einfachheit halber auf menschliche Kategorien und Termini zurückzugreifen: feiges, regressives Verhalten.
    Vergleichbar dem eines Pubertierenden, welcher vor der drückenden Verantwortung, die das Erwachsenwerden unweigerlich mit sich bringt, in die sorglose Idylle der Kindheit entwischen will. Nein, jeder dieser beiden Wege hätte in die Irre, wenn nicht in den Irrsinn geführt. Nachträglich war es, so betrachtet, geradezu ein Glück zu nennen, dass der Systemalarm sie unsanft aufgerüttelt und zu einer Entscheidung gezwungen hatte.
    „Manchmal muss man beide Augen zudrücken, wenn man schärfer sehen will."
    Beide Augen schließen. Beide Irrwege vermeiden. Das hatte der Maulwurf, hatte sie in ihrer Maulwurf-Rolle gemeint.
    Die aus zwei fragmentarischen, unterschiedlich alten Duplikaten desselben Bewusstseins, also letztlich aus sich selbst neu geborene Entität erkannte, dass sie nicht weiter ausweichen, nicht länger davonlaufen durfte. Sie stellte sich der schmerzlichen, durchaus Furcht erregenden Erkenntnis, einzigartig zu

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