2234 - Expedition ins Ungewisse
Essens sagte.
Sie hob den Blick, musterte sein verklärtes Gesicht, das eindeutig vom Mahl herrührte. „Wie möchtest du den Rest des Abends verbringen?", fragte er plötzlich. „Wir könnten es uns hier bei dir gemütlich machen."
Er war einverstanden, wirkte allerdings ein wenig irritiert.
Kein Wunder, dachte sie mit leichtem Vorwurf an sich selbst. Wir kennen uns seit Jahren, und ich führe mich noch immer auf wie eine Nonne.
Sie sahen gemeinsam die Spätnachrichten an, tranken einen leichten Rotwein dazu. Phil rutschte immer näher, und Elena schlang ihre Arme um ihn. Irgendwann sanken sie nebeneinander auf die weichen Polster der Couch. Seine Finger strichen zärtlich über ihr Gesicht.
Elena spielte mit seinem Haar. Wenig später siedelten sie ins Schlafzimmer um, wo sie spät in der Nacht verschwitzt und müde zwischen die Seidenkissen sanken.
Jetzt hast du es ihm noch immer nicht gesagt, war Elenas letzter Gedanke, bevor sie einschlief.
X minus eins!
Der Shuttle brachte sie von Terrania direkt in den Orbit, wo sie in die große Fähre umstiegen. Der Flug zum Mond dauerte vier Stunden, eine kleine Ewigkeit, wenn man es mit früher verglich. Weder der erhöhte Energieaufwand noch die kleinen Verzögerungen, die die noch nicht vollends abgeschlossene Umrüstung auf Positroniken mit sich brachte, konnten dies für sich allein genommen begründen, aber zusammen und zusätzlich zu vielen anderen Kleinigkeiten ergaben sich Verzögerungen, die wiederum Verzögerungen bewirkten ... und das gesamte System verlangsamten. Die Steuerung des Flugverkehrs im erdnahen Raum erfolgte mit äußerster Vorsicht.
Entdecke die Vorzüge der Langsamkeit! Vielleicht trug es dazu bei, das Leben und die Welt bewusster wahrzunehmen.
Elena hielt Phils Hand, was er mit einem dankbaren Blick und sanftem Gegendruck seiner Finger beantwortete. Gemeinsam hatten sie ihre Wohnungen konserviert und versiegelt, sich anschließend bei der Positronik ihres Wohnblocks abgemeldet.
Jetzt flogen sie zum vorerst letzten Mal Richtung Luna.
Wenn Raumfahrer ins All aufbrachen, geschah das meist von der Öffentlichkeit unbemerkt. Ganz anders in der Frühzeit der Eroberung des Weltalls. Damals hatten die raumfahrenden Nationen jedes Mal eine Sensation daraus gemacht. Vielleicht war sie es sogar gewesen. Draußen im All tauchte ein leuchtendes Scheibchen auf. Ein Gleiter ging längsseits. Seine Besatzung blies einen Verbindungstunnel aus Kunststoff auf, durch den sie überwechselten. Zwei Bewaffnete erwarteten sie. „Tut uns Leid", sagte der eine. „Die Sicherheitsvorschriften - ihr wisst schon."
Sie taten so, als wüssten sie schon. In der neuen Ära der Langsamkeit war vieles anders als früher - gezwungenermaßen und als logische Konsequenz der technischen Veränderungen, die der Maßnahme der Kosmokraten auf dem Fuß folgten.
Das Sicherheitspersonal filzte sie bis auf die Haut. Weiter hinten wurde ihr Gepäck umgeladen, meist persönliche Dinge, die man auf einen langen Flug mitnahm. Elena war überzeugt, dass die Mitarbeiter des TLD alles auseinander nahmen und durchleuchteten. Immerhin - ein „Buch Gon" würden sie nicht finden. „Beeilt euch!", mahnte Phil nach einer Weile. „Wir wollen nicht zu spät kommen. In eineinhalb Stunden fängt unser Dienst an."
Die Sicherheitsleute taten ihr Bestes. Während sie noch Gewebeproben der Freizeitkleidung auf Spuren des Tempels untersuchten, beschleunigte der Gleiter. Langsam stieg der Halbmond über den Rand der Plexiglaskuppel. Gegen die sonnenbeleuchtete Oberfläche des Erdtrabanten sahen sie das Gewimmel aus eckigen Tendern und Plattformen, ab und zu durchbrochen von den runden Scheibchen der Kugelraumer. Dort, wo sie sich zu einem gewaltigen Abwehrkordon ballten, lag das Flugziel.
Die Bewaffneten tauschten über ihre Komgeräte ein paar Informationen mit dem Gepäckdienst aus. „Alles in Ordnung", sagte dann einer von ihnen.
Elena gab sich betont gelassen. „Ich wette, ihr hattet noch keinen einzigen Fall einer Beanstandung."
„Das ist richtig."
Es hätte sie auch gewundert. Für einen Flug wie diesen suchte sich die LFT die Besatzung mit doppelter Gründlichkeit aus.
Sie nahmen Platz und sahen zu, wie sich der Gleiter seinen Weg zwischen den Schiffen suchte.
Innerhalb des Kordons existierte ein Hohlraum von schätzungsweise fünfzig Kilometern Durchmesser.
Darin hingen mehrere Tender und Containerzüge. Frachtplattformen bewegten sich im Schneckentempo vorwärts. Bis sie ihre
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