225 - Kalis Kinder
glaubwürdiger, wenn ich allein bin, dachte er amüsiert.
Er schlich sich auf den Flur und war in kurzer Zeit aus dem Hotelgebäude hinaus, auf einem weiten Innengelände mit einem nachtgrauen Garten voller Palmen. So weit er mitbekommen hatte, lebte Swamui im Haupthaus der Anlage, das mit seinen großen Rundbögen und den drei Stockwerken das Gelände dominierte.
Matt sah immer wieder Wachen patrouillieren und drückte sich eng an Palmen und Häuserwände. Swamui scheint sich alles andere als sicher in seinem Palast zu fühlen.
Er umrundete eine Götterstatue mit zahlreichen Armen und suchte Deckung im Schatten einer zweiten.
Da flammten plötzlich direkt vor ihm Lichter auf. Mehrere Fackeln wurden fast zeitgleich entzündet und laute Schreie auf Induu hallten über die gestutzte Wiese und die weißen Sandwege.
Verdammt! Sie haben mich erwischt!, war Matts erster Gedanke. Aber niemand kam auf ihn zu.
Matt drückte sich noch enger an den schwarzen Stein der Statue und sah vorsichtig zwischen zwei Armen hindurch zum Haupthaus. Auf der breiten hellen Treppe, die zum Haupteingang führte, stand Swamui. Mehrere Wachen schafften unter Karadans bellender Stimme einen Mann heran, der sich mit Händen und Füßen gegen die grobe Behandlung wehrte. Matt hörte das Wort Himachal heraus. Vielleicht ein Name?
Der hünenhafte Induu, der die Arme des Fremden gepackt hatte, schleuderte ihn zu Boden. Karadan trat zu, Matt hörte ein Stöhnen. Der Fremde wimmerte. Offensichtlich war der am Boden Liegende hier nicht willkommen.
Swamui redete nun lautstark und empört auf den Mann vor sich ein. Matt hörte immer wieder das Versatzstück »Kali ke batschke« – die Kinder Kalis.
Der Mann widersprach nicht, im Gegenteil. Er redete sich in heiße Wut.
Ein Anhänger vermutlich. Matt überlegte, ob er sich zurückziehen sollte, doch etwas hielt ihn ab. Es interessierte ihn, wie Swamui mit seinen Feinden umging.
Er musste nicht lange warten. Der Guhru wies mit dem Daumen zu Boden. »Naamse, Himachal«, meinte er abfällig.
Karadan hob freudig die silbern schimmernde Axt. Einen kurzen Moment sah Matt ihre in wilder Vorfreude verzerrten Züge. Ihn schauderte.
Swamui pfiff sie zurück. Matt glaubte etwas wie »Nicht hier!« herauszuhören. Anscheinend hatte Swamui vor, seinen Feind verschwinden zu lassen. Aber warum? Wenn die Kinder Kalis wirklich hinter den Tyger-Angriffen steckten, wäre es doch sinnvoller gewesen, dem Schuldigen in Kovlam den Prozess zu machen.
Neugierde flackerte in Matt auf. Der dicke Hilar wies in Richtung Dschungel. Die Wachen machten sich nach einem harschen Befehl Karadans auf den Weg,
Aruula bringt mich um, wenn ich das allein durchziehe, dachte er mit einem Seufzen. Aber ich kann sie jetzt nicht holen; in der Zwischenzeit sind diese Typen längst im Urwald verschwunden. Andererseits kann es gefährlich werden…
Er überlegte: Wie konnte er eine Spur für sie legen?
Ein Geistesblitz durchfuhr ihn. Er tastete nach der Beintasche, in der er die Patronen für seinen Colt Python verstaut hatte. Er nahm eine heraus und legte sie mit der Spitze in die Richtung, in der er selbst wenige Sekunden später den Wachen folgte…
***
Swamui setzte sich mit leicht zusammengekniffenen Augen auf die Bettkante. Er wehrte Attas Zärtlichkeiten und die ihrer beiden Schwestern fast unwirsch ab. »Wartet noch, ich muss nachdenken. Den Rücken könntet ihr mir aber schon mal schrubben.«
Kurze Zeit später ließ er sich in einer Badewanne voll duftendem Schaum nieder. Während Atta seine Schulterblätter mit einer Bürste und ihren langen Fingernägeln bearbeitete, gingen seine Gedanken kreuz und quer und wollten sich nicht so richtig kanalisieren lassen.
Er hatte die Torwachen befragt, die ihm berichteten, dass der angebliche Kaufmann Himachal die Siedlung zu Fuß erreicht hatte. Dies hatte Swamuis Zweifel bestätigt: Kein wohlhabender Händler legte eine solche Strecke allein und ohne Transportmittel zurück. Er hatte Karadan beauftragt, Himachal – oder wie immer er hieß – zu ihm zu bringen. Sie war vermutlich nicht gerade zimperlich mit ihm umgegangen, denn er hatte gleich zugegeben, ein Kali-Jünger zu sein!
Das war so überraschend wie beunruhigend zugleich. Denn Swamui hatte die Kali-Jünger, deren geheimnisumwitterte Existenz er bislang für eine Legende gehalten hatte, als Sündenböcke für seine eigenen Untaten vorgeschoben und dies für einen klugen Schachzug gehalten. Fantasiefiguren konnten sich
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