225 - Kalis Kinder
nicht gegen solche Beschuldigungen wehren oder ihn gar zur Rechenschaft ziehen.
Doch nun war tatsächlich einer in Kovlam aufgetaucht!
Stimmte es also doch, was sich die Menschen zuflüsterten, seit er zurückdenken konnte? Geschichten von blutrünstigen, Menschen opfernden Götzenanbetern? Hatten sie nun irgendwie erfahren, dass er ihnen die Morde an den Salben-Opfern in die Schuhe schob? Wollten sie sich dafür rächen?
»Nicht so fest !« Swamui schlug mit der linken Hand über die rechte Schulter und traf Atta. Das löste seine Anspannung für einen Moment.
Bis ihm bewusst wurde, dass es ein Fehler gewesen war, Karadan davon abzuhalten, den falschen Kaufmann gleich hier zu töten. Wenn sie ihn in den Dschungel brachte und dort festband wie die anderen Opfer, würden die Tyger ihn reißen?
Oder standen die Kinder Kalis tatsächlich mit den großen Raubkatzen in einer unheiligen Verbindung, wie die alten Legenden behaupteten?
Er beruhigte sich mit dem Gedanken, dass es viel wahrscheinlicher war, dass Karadan den Kerl höchstselbst umbrachte. Sie war nicht dumm. Der Gedanke, dass die Tyger den Verbündeten eher retten als fressen würden, kam ihr sicher auch.
Trotzdem war ich viel zu voreilig, dachte Swamui ärgerlich.
Ich hätte Himachal gefangen nehmen und ihn über die Kali-Jünger ausquetschen sollen. Vielleicht sind ja noch mehr von ihnen in Kovlam. Oder war Himachal einfach nur ein Spinner?
Er würde es nicht mehr erfahren. Es war zu spät, um diesen Fehler noch rückgängig zu machen.
***
Matthew Drax hatte keine Mühe, an dem Entführungskommando dran zu bleiben. Da er sich rund zwanzig Meter hinter Karadan und ihren Leuten bewegte, konnte er den schmalen Pfad benutzen, den sie ihm hinterließen. Dank des Vollmonds, dessen Licht durch die Baumkronen immer wieder einen Weg bis auf den Grund fand, bewegte er sich in einem diffusen Grau, in dem man Umrisse noch ausreichend erkennen konnte. Die vielfältigen Geräusche des nächtlichen Dschungels minimierten das Risiko, dass Matt auf sich aufmerksam machte. Immer wieder knackte es rings um ihn her.
Ich möchte gar nicht wissen, was für ein Viehzeug sich hier rumtreibt… Er umklammerte den Griff des Colt Python und hoffte, dass er ihn nicht abfeuern musste – in diesem Fall wäre seine Mission vorzeitig zu Ende und er selbst auf der Flucht.
Immer wieder legte er eine der messingfarbenen Patronen für Aruula an den Wegrand.
Matt war mehr als gespannt. Er wusste immer noch nicht, inwieweit er die Situation von vorhin richtig interpretiert hatte.
Warum verschleppten sie den Kali-Jünger – denn für einen solchen schienen sie ihn doch zu halten – in den nächtlichen Dschungel? Was hatten sie mit ihm vor?
Auf jeden Fall würde er versuchen, den Mann zu retten.
Vielleicht wusste er mehr darüber, was auf der Schönheitsfarm vorging. Um das aus ihm heraus zu bekommen, würde er ihn allerdings zu den beiden Hydritengeistern schaffen müssen.
Gut eine halbe Stunde war Matt unterwegs, dann blieb er einen Moment stehen und witterte. Kein Zweifel: Irgendwo in der Nähe war Wasser.
Und tatsächlich: Nur wenige Meter voraus öffnete sich eine große Lichtung vor Matt. Ein etwa zwanzig Meter durchmessendes Wasserloch, das von einem Bach gespeist wurde, bildete den Mittelpunkt. Die Wasseroberfläche kräuselte sich ein wenig. Matt Drax verharrte in der Deckung eines großen Baumes und beobachtete weiter.
Karadan stieß ihren Gefangenen auf das Wasserloch zu. Er stolperte und fiel der Länge nach hin. Dabei wimmerte er leise.
Die beiden Soldaten holten Stricke aus ihren Taschen, während Karadan den Mann auf die Beine zog.
Matt hielt den Atem an, als sich plötzlich die Ereignisse überschlugen. Auch er hatte sich vom Jammern des Gefangenen beeindrucken lassen – so wie die Amazone, die ihn offensichtlich unterschätzt hatte. Der Ellenbogen des Mannes zuckte nach hinten. Er traf Karadan unter dem Kinn.
Es knirschte. Sie griff sich ins Gesicht und taumelte zurück.
Blitzschnell griff der Kali-Jünger zu und zog ihr die Machete aus dem Gürtel. Mit einem Sprung drang er auf die überraschten Soldaten ein. Den ersten erwischte er am Oberarm. Mit einem Schrei presste der Soldat eine Hand auf die Wunde. Den zweiten trieb der Gefangene mit einer wilden Attacke in Deckung. Als er merkte, dass der Gegner zu flink war, um ihn zu erwischen, floh er mit weiten Sätzen auf die Baumgrenze zu.
Karadan hatte sich zwischenzeitlich wieder erholt. Sie zog ihre
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