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2254 - Der ewige Gärtner

Titel: 2254 - Der ewige Gärtner Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Unbekannt
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Tagen vor Erschöpfung zusammenbrach und am Stamm liegen blieb bis zum Morgen, wenn ihn die Vögel weckten.
    Täglich kletterte er an dem Leichnam herum und befreite mit einer Axt den Stamm von oft meterdicken Ästen. In den ersten Monaten war kaum ein Ergebnis zu sehen. Erst im Herbst war der Stamm fast bis zur Hälfte frei und um viele Meter kürzer. Orrien Alar musste viel Zeit dafür verwenden, die entfernten Teile aus dem Domhof zu schaffen und in eine große Grube zu werfen, die er vor dem Wald ausgehoben hatte. Uralt Trummstam sollte ein würdiges Grab finden.
    Er arbeitete bis in den Winter hinein. Erst als der erste Schnee fiel, zog er sich in seine Hütte zurück und legte sich zum langen Schlaf hin, bis der Frühling ihn wieder weckte.
    Dann begann die Arbeit von vorn. Ein weiteres Jahr verging und dann noch eins und noch eins. Bald zählte der Gärtner sie nicht mehr. Uralt Trummstam schrumpfte und schrumpfte, die Beete waren sauber und gesund, und irgendwann war es vollbracht.
    Orrien Alar hatte sieben weitere Gruben ausheben müssen, um das ganze tote Holz und die Wurzeln dem Boden zurückzugeben, aus denen sie entstanden waren. Endlich war auch die Erde im Domhof wieder glatt und eben, als wartete sie nur auf das Keimen und Streben eines neuen Uralt Trummstam. Die Beete blühten und gediehen, die Innenmauern des Doms waren von hinaufgekletterten Ranken befreit. Alles war wieder so wie früher, friedlich und sauber. Nur der alles beherrschende Baum fehlte - und natürlich die Schutzherren und ihre Getreuen.
    Das Leben eben.
    Orrien Alar war fertig mit seiner Arbeit. Es gab jetzt - außer der Pflege der Anlagen natürlich - eigentlich nur noch eines für ihn zu tun. Er hatte Angst davor, denn wenn es ein Misserfolg wurde, würde er schwer daran tragen.
    Auf der anderen Seite drängte die Zeit. Er spürte, dass sein Lebenszyklus zu Ende ging.
    Es war fast schon wieder Herbst, und er musste den neuen Zyklus beginnen, bevor der Winter kam und ihn erneut schwächte. Alar hatte über dreihundert Jahre in diesem Körper gelebt. Das war kürzer als andere Zyklen vorher, aber er hatte ja auch viel Kraft gelassen. Er hatte mehr erlebt als in jedem anderen Zyklus, an den er sich erinnern konnte.
    Drei Tage wartete der Gärtner, bis er den Mut fand, den Versuch zu wagen, von dem so viel abhängen konnte. Er verließ früh am Morgen seine Hütte, als es noch dämmrig war.
    In seiner Hand befand sich die Samenkapsel, die er aus dem Kästchen genommen hatte.
    Die Vögel sangen schon, und die letzten Nachtjäger huschten in ihre Verstecke zurück.
    Der Wald erwachte zum Leben.
    Leben ... neues Leben ... und vielleicht - der Beginn einer neuen Zeit...
    Orrien Alar wollte nicht daran denken. Die Angst vor einer Enttäuschung war zu groß.
    Und war es nicht vermessen zu glauben, dass ausgerechnet er die Rückkehr der Schutzherren, eine neue Ewigkeit herbeiführen könnte? Die Auferstehung des Ordens?
    Als er seinen Wald verließ, hatte er das Gefühl, dass die Bäume ihm Mut machen wollten.
    Er war dankbar dafür. Schließlich waren sie alle auf gewisse Weise „Brüder" Uralt Trummstams, wenn auch sehr kleine Brüder. So, wie der Wald eins war, waren sie auch eins mit Trummstam gewesen, auf eine Weise mit ihm verbunden, die wahrscheinlich nur Wesen wie der ewige Gärtner spüren konnten - doch selbst Alar konnte das ganze Ausmaß dieser Verbindung auch nicht annähernd begreifen. Aber das war auch nicht nötig.
    Wichtig war, was er fühlte, auch wenn ihn diese Sensibilität verletzlich machte.
    Orrien Alar betrat den Domhof mit diesen gemischten Gefühlen - Angst und Hoffnung, Skepsis und Vorfreude, die er vergeblich zu zügeln versuchte. Als er die Mitte des Hofs erreicht hatte, verharrte er für einige Augenblicke, sah sich um und atmete tief durch.
    Die Kapsel in seiner Hand schien schwer wie ein Stein. Sie war nicht größer als zwei Daumen, aber in ihr steckte eine ganze Welt, eine blühende, strebende Zukunft...
    Endlich kniete Alar sich nieder und grub mit bloßer Hand ein Loch in den lockeren Boden.
    Er betrachtete die Kapsel ein letztes Mal. Dann legte er sie in das Loch und bedeckte sie mit Erde. Jetzt konnte er nur noch warten. Was nun geschah, stand nicht mehr in, seiner Macht.
    Orrien Alar kehrte in den Wald zurück und versuchte, sich zu beschäftigen, indem er sich um die Bäume kümmerte, die alt und schwach waren und seine Hilfe brauchten. Aber schwach war er auch. Es ging jetzt immer schneller, und

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