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226 - Das Schädeldorf

226 - Das Schädeldorf

Titel: 226 - Das Schädeldorf Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mia Zorn
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Raum. Das einfallende Tageslicht in ihrem Rücken lag grau auf dem nackten Fußboden. Kreuz und quer waren aufgebrochene leere Kisten verteilt. Vereinzelt fanden sich verlorene Munitionspackungen. Die Hydritenfrau beachtete sie nicht weiter, sondern fixierte die gegenüber liegende Tür, die ebenfalls offen stand. Sie führte in einen Stollen.
    Nachdem sie ihn betreten hatte, arbeitete sie sich Schritt für Schritt vorwärts. Irgendwann wurde es so finster, dass sie den Leuchtstab aus ihrem Gürtel brauchte. Sie schaltete ihn auf die geringste Stufe und ging weiter. An manchen Stellen verzweigte sich der breite Gang in kleine Steinkammern und Höhlennischen. Überall lagerten Waffen und Sprengstoff.
    Schließlich endete der Stollen in einem Felsengewölbe, in dem Hacken, Spaten und anderes Gerät lagen. Sevgil’im blieb stehen und konzentrierte sich. Sie hatte jeden Meter, jede Biegung ihres Weges im Kopf. Jetzt entspann sie die geographische Lage des Stollens vor ihrem inneren Auge. Bei der Erkenntnis über ihren Standort schnellte die Kammflosse auf ihrem Kopf in die Höhe. »Bei Ei’don!«, flüsterte sie heiser. Der unterirdische Stollen mit seiner gefährlichen Fracht grenzte direkt an die Schleusenstation der Hydriten. Einige zusätzliche Meter nur, und die Menschen würden die geheime Station entdecken!
    Eilig machte sie sich auf den Rückweg. Genauso unbemerkt, wie sie gekommen war, verließ sie Depot und Stützpunkt. Über Wurzelgeflecht und durch dichtes Gestrüpp erreichte sie den Fluss. Den Rest des Weges legte sie tauchend zurück.
    In der Forschungsstation angekommen, machte sie keine großen Worte. »Wir müssen sofort die Station evakuieren und versiegeln!«, ordnete sie an. Im Nu war sie umringt von hydritischen Wissenschaftlern und Wächtern, die sie mit Fragen bestürmten. Der Leiter der Forschungsstation drängte sich durch die Menge. »Was soll das?«, fragte er erbost. Die Schuppen auf seiner schwulstigen Stirn flatterten unruhig.
    Nachdem Sevgil’im die Situation erklärt hatte, hob er fragend die Arme. »Auch ich habe die Arbeiten der Lungenatmer bemerkt. Aber ich sehe das als Chance: Noch nie sind wir so nahe an unsere Studienobjekte herangekommen. Willst du das tatsächlich aufgeben?«
    Einen Moment lang dachte Sevgil’im an Ytim’len. Sollte er noch am Leben sein, blieb ihm der Zugang zur Station durch die Versiegelung verwehrt. Doch sie konnte nicht wegen eines Hydriten die Entdeckung der Forschungsstation riskieren. Also blieb sie hart. »Ja, das will ich!«, erwiderte sie. »Als Beauftragte für die Sicherheit der Station steht mein Befehl fest: Bis auf weiteres ziehen wir uns zurück!«
    ***
    September 2524, Mekong-Delta, Vietnam
    Für die Gefährten begann ihr vierter Tag im Mekong-Delta. Die letzten Nächte hatten sie im Freien verbracht: Yann hatte einen weiteren Aufenthalt in dem unterirdischen Raum verweigert.
    Tagsüber hatten sie an dem Schiff gearbeitet: Mit vereinten Kräften gelang es ihnen, die geborstenen Planken aus der Schiffsseite zu lösen. Mit den Werkzeugen, die sie an Bord fanden, ließen sich die Trümmerteile so bearbeiten, dass man sie problemlos wieder verwenden konnte. Nur ein paar kleinere Lücken und ein Spalt, dick wie ein Unterarm, glotzten noch aus der Bordwand. Die galt es zu stopfen. Außerdem musste das Flickwerk wasserdicht gemacht werden. Da dafür kein geeignetes Material auf dem Schiff zu finden war, wollte Matt es mit Baumharz versuchen, das er im angrenzenden Mangrovenwald zu finden hoffte. Während Aruula und Yann kleinere Arbeiten am Schiff erledigten, brach er mit dem kleinen Dingi der Yacht auf.
    Nach wenigen Metern breitete sich über seinem Kopf ein Dach aus bizarren Astformationen und dichtem Laub aus. Wie braune Tentakel von Riesenkraken ragten Wurzeln aus dem Brackwasser und versperrten immer wieder den Weg.
    Der Mann aus der Vergangenheit musste höllisch aufpassen, dass sein Dingi sich nicht in dem Geflecht verkeilte. Nach einer Weile aber bekam er ein Auge dafür, in welche Richtung er paddeln musste, um den Strängen auszuweichen. Insekten umschwirrten seinen Kopf und es war unheimlich still. Je tiefer er in den Wald hineinkam, desto höher wurden die Bäume und unheimlicher der Wasserteppich unter ihm: eine braune dampfende Brühe, aus der von Zeit zu Zeit glucksende Blasen aufstiegen. Matt wollte gar nicht wissen, was die Blasen verursachte. Hin und wieder hielt er an und suchte an den Baumstämmen nach dem benötigten Material.

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