226 - Das Schädeldorf
Doch die porösen Korkrinden sonderten alles Mögliche ab, nur kein Harz. Nach Stunden brach er die Suche ab. Sie mussten sich etwas anderes einfallen lassen für die Abdichtung der Bordwand.
Als Matt das Dingi wendete, nahm er aus den Augenwinkeln eine Bewegung wahr. Erstaunt schaute er auf: Zehn Schritte entfernt glotzte ihm ein riesiger Waran entgegen. Das Tier saß mit aufgerichtetem Vorderkörper auf einer Wurzelformation und hatte die Ausmaße eines Bullen. Seine schuppige Haut trug eine gestreifte Zeichnung. Mit seinem leicht geöffneten Rachen sah es fast so aus, als ob es lächeln würde.
Matt lächelte nicht zurück. Ohne den Waran aus den Augen zu lassen und auf hastige Bewegungen verzichtend, stieß er das Paddel weiter ins Wasser. Plötzlich blubberte es neben dem Dingi. Matt fluchte: Gab es noch mehr von diesen Biestern und waren sie direkt unter ihm? Er löste den Verschluss seines Holsters und legte die Hand auf seinen Colt Python. Angestrengt starrte er ins Wasser.
Etwas scharrte außen am Bug entlang. Matt sah, wie sich zwei fingerdicke Fühler über den Bootsrand schoben. Das war kein Waran! Die armlangen Antennen tasteten in den Innenraum. Schließlich hob sich der dazugehörige Körper aus dem Wasser: ein orangefarbenes, schuppiges Wesen mit tennisballgroßen schwarzen Augen am schmalen Schädel und einer wuchtigen Schwanzflosse. Der Rest des zylinderförmigen Leibes war umkränzt von unzähligen Greiforganen, die im Vergleich mit den beiden Fühlern fast zierlich wirkten.
Matt war sich sicher, dass er es mit einer mutierten Garnele zu tun hatte. Mit ihren gedrungenen Scheren veranstaltete sie einen Heidenlärm. Was hatte sie vor? Wollte sie das Dingi anknabbern? Als ob sie ihm antworten wollte, begann sie an dem Wasserfahrzeug zu zerren, bis es bedenklich schwankte. »Hey! Wirst du das wohl lassen!« Matt drückte den Kopf des Tieres mit dem Paddel ins Wasser zurück.
In seinem Rücken hörte er den Waran fauchen. Das Monster stand immer noch auf der Wurzelinsel und ließ seinen Schwanz hin und her peitschen. Schließlich begann er geckernde Töne von sich zu geben. Kurz darauf blubberte und schäumte es im braunen Wasser. Jetzt näherten sich mehrere Riesengarnelen dem Boot! Jagte der Waran etwa gemeinsam mit diesen Viechern? Innerhalb weniger Minuten war das Dingi eingekreist. Über ein Dutzend Fühler griffen nach dem Wassergefährt. Sie schaukelten und drehten es, als wäre es ein Zweig.
Matt schlug mit dem Paddel auf die Angreifer ein. Dabei verlor er sein Gleichgewicht und fiel der Länge nach ins Boot. Er staunte nicht schlecht, als er in den Baumkronen über sich ein Dutzend Gesichter entdeckte. Dort oben waren tatsächlich Menschen! Wilde mit wuscheligen schwarzen Haaren und weißen Zeichnungen in den Gesichtern. Matt kniff die Augen zusammen. Allerdings sahen ihre Shorts und bunten T-Shirts weniger wild aus. Egal! Warum halfen sie ihm nicht?
Eine schreckliche Ahnung stieg in ihm auf. Gehörten sie etwa auch zu diesem unwirklichen Jagdverband? Jetzt zielten sie mit ihren Waffen auf ihn. Das durfte doch alles nicht wahr sein!
Matt riss seinen Colt hoch. Zu spät! Schon prasselte ein Pfeil- und Speerhagel von den Bäumen. Allerdings landeten die Geschosse neben dem Dingi. Die Garnelen zuckten. Erst als die letzte im Wasser verschwunden war, endete der tödliche Regen.
Matt hob den Kopf, um den Eingeborenen seinen Dank auszudrucken. Doch im selben Moment hörte er ein wütendes Fauchen direkt neben sich. Blitzschnell drehte er sich um – und schaute in den Rachen des Warans!
Matt zögerte keine Sekunde. Die Kugel seines Colts traf das Monster zwischen die Augen. Ein Zucken ging durch den mächtigen Leib. Dann versank die Echse wie ein Stein. Matt atmete auf. Als er sich wieder den Kriegern in den Baumwipfeln zuwandte, waren die allesamt verschwunden.
***
Der Fischschwarm glitt unter der Wasseroberfläche von links nach rechts, um dann erneut zu verharren. Wie Aruula erwartet hatte, lösten sich einige Körper aus dem silbernen Knäuel und näherten sich ihren nackten Füßen. Blitzschnell stieß die Barbarin ihren angespitzten Stock ins Wasser, zog ihn wieder heraus und löste das zappelnde Tier von dem Speer. Am Ufer tötete sie es endgültig und legte den Fisch zu den anderen in den Beutel. Zufrieden machte sie sich auf den Rückweg zur Yacht.
Nachdem Matt heute Morgen in den Mangrovenwald aufgebrochen war, hatte sie mit Yann am Rande des Waldes nach passendem Holz gesucht,
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