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2274 - Motoklon Hundertneun

Titel: 2274 - Motoklon Hundertneun Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Unbekannt
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Mediale Schildwache erzeugte etwas in ihm, was man als Respekt bezeichnen konnte. Es handelte sich eigentlich um eine abstrakte Wahrnehmung, mit der man ein Gegenüber aufgrund seiner Überlegungen und Leistungen in einer gegebenen Hierarchie um eine Stufe höher einreihte.
    Trotz aller Widersprüchlichkeit, mit der sie zwischen Abneigung und Anerkennung ihm gegenüber balancierte, schaffte sie es, ihn perfekt in eine willkürlich erdachte Planungsmatrix einzubeziehen.
    Er verspreizte Hände, Beine und Stummelschwanz in der Röhre und blickte, mit dem Kopf nach unten gebeugt, in nördliche Richtung. Das Pfeifen, das eine weitere Containerlieferung ankündete, kam rasch näher. Es gab nur wenig Restlicht. Er musste sich erneut des Infrarot-Modus seiner Sehorgane bedienen.
    Das Windpolster war fast heran. Er schloss die Sonar-Peilung ab und zog den Kopf zurück in die Sicherheit des Ganges. Nach genau 0,362 Sekunden war die Warenlieferung vorbei. Sein Augenmaß war unbestechlich, seine interne Zeitmessung ebenso.
    Langsam kletterte er nach oben, zurück in den Verbindungsgang, in dem Lyressea mit unübersehbarer Ungeduld auf ihn wartete. „Nun?", fragte sie, während sie von einem Bein aufs andere trat. „Ich habe die ... erforderlichen Daten", sagte Hundertneun schlicht. „Wie groß ist die Wahrscheinlichkeit, dass wir es schaffen?"
    „Sie liegt bei ... als Sechsundsechzig Prozent."
    „Warum nicht mehr?"
    „Der Rhythmus der Lieferungen könnte sich... unvorhergesehen ändern. Die Wandung des Containers mag stärker sein, als ich vermute. Vielleicht handelt es sich um ... einen Spezialtransport oder um eine volle Lieferung, in der wir ... keinen Platz finden. Die ... Wucht könnte den Kasten verkeilen lassen..."
    „Genug!", schnitt sie ihm das Wort ab. „So genau wollte ich's gar nicht wissen."
    Sie zwinkerte in schnellerem Rhythmus als sonst. Hundertneun durchschaute sie. Lyressea war hochgradig nervös. „Wann ist es wieder so weit?"
    „In... dreiunddreißig Sekunden", antwortete er. „So rasch?"
    Wollte sie sich davor drücken? Irrational denkende Lebewesen änderten oftmals ihre Meinung. Er hatte seine Erfahrungen mit ihnen gesammelt. „Gut! Gehen wir's an", sagte sie schließlich, presste ihre Lippen aufeinander, bis sie hellblau waren, und bat ihn, sie erneut in die Arme zu nehmen.
    Er griff zu, umschloss ihren Körper mit seiner Masse. Energielevel unter vier Prozent, erfuhr er währenddessen anhand einer Kontrollroutine, die alle fünf Sekunden ablief. Lange würde er seine Bewegungsfreiheit nicht mehr aufrechterhalten können ...
    Geschwindigkeit des Containers fünfundfünfzig Meter pro Sekunde, memorierte er. Länge des Warenzuges 21,3 Meter, ergibt ein Zeitfenster von 0,38 Sekunden, um hinein zu gelangen. Bei einer Fallgeschwindigkeit von 9,9 Metern pro Sekunde und einer Schachttiefe von 18 Metern muss ich jetzt loslassen ...
    Hundertneun stieß sich mit aller Vehemenz ab, hinein in den senkrechten Schacht. Er rollte den echsenartigen Körper zusammen, umschloss Lyressea fast vollends. Ein Schub heißer Luft traf ihn, bremste ihn geringfügig ab. Selbst diesen winzigen Einfluss auf seinen Fall hatte er einkalkuliert. Der Motoklon fühlte keine Unsicherheit, kein Bangen oder Angst. Er wusste, dass alle Berechnungen richtig waren.
    Er hörte den Container kommen, er war ganz nah. Noch vier Meter, bis er aufschlug, noch drei - zwei - eins ...
    Kontakt!
    Wie berechnet durchbrach er das Dach des Behälters, annähernd im Zentrum, landete auf Metalleimern voll Flüssigkeit, die sofort platzten und deren Inhalt sich über seinen Leib ergoss. Der seitliche Geschwindigkeitsvektor riss ihn mit sich, fetzte ihn quer durch den Container, in Richtung der hinteren Ladeluke. Mit den Beinen und einer Hand krallte er sich an allem fest, was er greifen konnte, bremste die Vehemenz des Falls und des seitlichen Rucks ab. Mit dem anderen Arm schützte er Lyressea, stützte ihren Nackenbereich, so gut es ging. Trotzdem wurde sie wie eine Puppe hin- und hergebeutelt und von Behältern getroffen.
    Dann der Aufprall gegen die Rückwand.
    Hundertneuns Haut, mit einer weitaus höheren Nervendichte durchzogen als jene eines Menschen, spürte die metallene Wandung, ohne dabei Gefühle des Schmerzes zu entwickeln.
    Er machte sich breit und verteilte damit sein Gewicht, ließ Lyressea endgültig los. Sie klebte an ihm, mit der Wucht mehrerer Gravos an ihn gepresst.
    Die Ladewand gab nach, das Plastmetall beulte sich nach

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