2276 - Tanz auf dem Vulkan
die hochgefahrenen Schutzschirme einwandfrei funktionierten, glaubte er, die Hitze der Sonne spüren zu können. „Auslastung der Schirme?", fragte er, auch wenn ihm klar war, dass die Antwort ihn nicht beruhigen würde. „Bei achtundachtzig Prozent. Da draußen brutzelt es ganz schön." An den Kontrollen der Schutzschirme hatte auf Myles' Wunsch Tyun-Theris Platz genommen. Dank eines Miniabsorbers, der die sie umgebende Bordschwerkraft auf die 0,25 Gravos ihrer Heimat senkte, konnte die Swoon-Frau sich frei bewegen.
Er wollte seine Mitarbeiter, mit denen er den Sonnentaucher zu bemannen gedachte, die Gelegenheit geben, sich frühzeitig mit den Bedingungen und Instrumenten vertraut zu machen und Erfahrung zu gewinnen.
Neben ihr, auf dem Kontrollpult, stand ihre beste Freundin, die Siganesin Aileen Helsin. Man musste genau, hinschauen, um sie zu bemerken. Mit ihren stolzen 10,88 Zentimetern, dem hellgrünem Teint, dem schmalen Gesicht und den schwarzen Augen war sie eine typisehe Vertreterin ihres Volkes - zwar humorvoll, aber auch sachlich, logisch und pragmatisch.
Im Gegensatz zu ihren Artgenossen legte sie nicht so viel Wert auf Höflichkeit und Etikette, was Myles ganz gelegen kam. Um sich mit den „Riesen" verständigen zu können, benutzte sie einen Stimmverstärker.
Nach der Auflösung des Camelot-Projekts war sie gemeinsam mit der Swoon-Frau nach Terra gekommen. Hier hatten sich ihre Wege getrennt. Erst nach der allgemein forcierten Hyperimpedanz-Forschung hatten sie sich wieder getroffen und arbeiteten seither in Volcan-Center auf Merkur.
Bald würde sich erweisen, ob die Umbauarbeiten in der MUNGO PARK mit der nötigen Effizienz vorgenommen worden waren. Die Besatzung und das Volcan-Team hatten tatsächlich unter Hochdruck gearbeitet, schier Unmögliches möglich gemacht und die Vorbereitungen für den „Tauchversuch" in einer Woche abgeschlossen.
Myles trat neben Kyran und versuchte, seine Unruhe zu verbergen. Er fragte sich, woher sie kam. Er hatte volles Vertrauen zu Kommandant Seschra und seinen Leuten und natürlich auch zu seinem eigenen Team. Sämtliche Anzeigen ließen darauf schließen, dass sie sorgfältig gearbeitet hatten. „Nausen?", fragte er. „Sämtliche Systeme stabil", antwortete der Sampsoner. „Ihr habt gute Arbeit geleistet", lobte Myles. „Wir gehen wie vorgesehen tiefer." Er wusste, dass ihre Geduld noch auf eine schwere Probe gestellt werden würde. Sie standen erst am Anfang des zweiten Flugs ins Innere der Sonne. „Das sieht ganz schön heiß aus." Orren Snaussenid saß auf einem Formsessel direkt neben Inshanin. Bislang hatte er das Geschehen eher unbeteiligt verfolgt, Myles' Anordnungen wortlos befolgt und kaum einmal das Wort ergriffen, nur geantwortet, wenn man ihn direkt ansprach. Doch seit sie in die Korona eingeflogen waren, zeigte er mehr Interesse. „Ich bekomme Durst, wenn ich nur an die Hitze da draußen denke."
Die Plophoserin reichte dem Schohaaken einen Becher und sah bedeutungsvoll in Myles' Richtung. Sie hatte ihm deutlich zu verstehen gegeben, was sie davon hielt, dass er das Fremdwesen in diese Gefahr brachte. Immerhin hatte sie ihn unter vier Augen darauf angesprochen. „Ich vermute, dass die Schohaaken in einem Zusammenhang mit dem Objekt stehen, das wir entdeckt haben", hatte er gesagt. „Immerhin sind sie Aktionskörper ARCHETIMS, und dessen Korpus befindet sich auch in der Sonnenkorona."
Sie hatte seinen Einwand zurückgewiesen. Es hatte ihm auch nichts genutzt, als er auf Orrens Krankheit verwies, die man an Bord gut behandeln konnte. „Und auf der Erde nicht?", hatte sie schnippisch erwidert. „Das ist dir doch auch völlig klar.
Also kann ich dieses Argument nicht gelten lassen." Sie hatte mit der unvermeidlichen Geste die Brille zurechtgerückt.
Seitdem kümmerte Inshanin sich liebevoll um den Schohaaken. Myles hätte es nicht geglaubt, hätte er es nicht selbst miterlebt. Waren das Mutterinstinkte? Das typisch weibliche Verhalten gegenüber kränklichen, kleinen Wesen? Und das bei einer eiskalten Frau und logisch denkenden Wissenschaftlerin wie der Plophoserin?
Für Myles wurde es immer offensichtlicher, dass er die Frauen wirklich nicht verstand. „Druck und Dichte nehmen kontinuierlich zu. Wir haben die Übergangsschicht durchflogen und dringen jetzt in die Chromosphäre ein. Schirme fast bei achtzig Prozent." Tyun-Theris gähnte. Es war lange her, dass sie das letzte Mal ausgiebig geschlafen hatte. Dabei schätzte sie genau
Weitere Kostenlose Bücher