2277 - Die Macht der Sekte
sie herein.
Sie hießen Strafen van Howan und Remi Claidon und gehörten zur ersten Riege von Getreuen, die Sektenführer Imberlock rekrutiert hatte. Natürlich hütete Datone sich, den Begriff „Sekte" in diesem Gespräch zu verwenden, aber nach allem, was er gehört hatte, stand für ihn außer Frage, dass Imberlocks Organisation diese Bezeichnung verdiente.
Datone verlor kein Wort darüber. Er musterte die Pläne, die Strafen van Howan vor ihm auf dem Tisch ausgebreitet hatte, und nickte. „Gute Arbeit", sagte er.
Anscheinend hatten sie seine Führung tatsächlich dazu genutzt, sich aus erster Hand Daten über den Vesuv zu beschaffen, zweifellos, um sich ein endgültiges Bild davon zu machen, ob der Berg für ihre Zwecke auch geeignet war.
Datone kramte eigene Unterlagen aus einer Schublade hervor und verglich einige Werte miteinander, wie die Zusammensetzung der Lava am Rand der Caldera, die Dichte und Mineralogie des Gesteins und anderes mehr. „Sie haben so ziemlich alles erfasst, was von Belang ist." Er richtete sich auf und grinste das Pärchen an. „Nur eins haben eure Mikrosensoren übersehen."
Der Blondgelockte starrte ihn an. „Hier", sagte Datone und deutete auf eine Stelle dicht unterhalb des Kraterrandes, „befindet sich das Haus eines etwas schrulligen alten Weibs. Die Ärmste versucht ständig, sich in den Besitz eines bestimmten Geldstücks zu bringen, um es anschließend in der Magma zu schmelzen. Sie verspricht sich davon gewaltigen Reichtum."
Die beiden blickten sich verdutzt an und begannen in ihren Unterlagen zu suchen. „Schon in Ordnung." Datone hob die Hände. „Nur ein Scherz, ein schlechter Scherz."
Remi Claidon lächelte ihn an. „Du musst schon verzeihen, aber über lokales Brauchtum sind wir nicht unterrichtet. Du verstehst: andere Länder, andere Sitten."
„Ja, Gott sei Dank", entgegnete Datone.
Er verzichtete auf jeden weiteren Versuch, die Situation aufzulockern, und konzentrierte sich ganz auf den Abgleich der Daten. Die Ernsthaftigkeit, mit der die Jünger ihn dabei beobachteten, bereitete ihm Unbehagen. Ihre Freundlichkeit und das ständige Lächeln waren nicht unbedingt gespielt, aber es fehlte ihnen jede Zwanglosigkeit.
Mehrere Stunden lang dauerte die Prüfung, die Datone wie ein Ausverkauf seines geliebten Vulkans erschien. Es war, als teilte er seine Geheimnisse neuen Besitzern mit, von denen er jetzt schon wusste, dass sie den Berg der Berge schlecht behandeln würden.
Die Sonne ging bereits unter und hüllte den Vesuv in ein atemberaubendes Farbenspiel aus Rot und Orange, als er die letzte Folienmappe schloss und die Monitoren ausschaltete. „Nun bleibt mir nur noch, euch viel Erfolg zu wünschen", murmelte er.
Strafen van Howan und Remi Claidon packten ihre Sachen und stiegen nach einigen flüchtigen Dankesworten in ihren Gleiter. Dann verließen sie den Vulkan.
Auch für Datone war damit der Augenblick des Abschieds gekommen. Nie hätte er es für möglich gehalten, dass er so rasch seine Arbeit verlieren könnte. Er war gut darin gewesen, der Letzte seiner Art, und hatte sich ihr mit Leib und Seele verschrieben: Fremdenführer auf dem Vesuv.
Diesen Berufsstand würde es ab sofort nicht mehr geben.
Aber der Katzenjammer kam erst am nächsten Tag, als Barto Datone den Vesuv erneut besuchte. Seine erste Tat, noch bevor die Abfindung auf seinem Konto eingetroffen war, hatte darin bestanden, sich einen superschnellen eigenen Gleiter zu kaufen.
Als er jetzt mit seinem roten Matschuko HXL im hellen Nachmittagslicht den Vesuv anflog, entdeckte er schon aus der Ferne, wie viel sich verändert hatte. Während er verschiedene Gleitermärkte besucht hatte, war hier ein Kugelraumer gelandet.
Es war nur ein kleines Modell, ursprünglich wohl für militärische Zwecke gedacht, das für den Handelsverkehr umgerüstet worden war. Datone kannte sich nicht gut genug mit den einzelnen Klassen aus-, um das ursprüngliche Modell identifizieren zu können.
Das war auch nicht nötig. Ihm reichte, was er sah.
Mächtige Baumaschinen waren entladen worden und bevölkerten jetzt zu Dutzenden den Vesuv. Ohne die Antigravprojektoren hätte sich ihr tausendfaches Tonnengewicht tief in die Hänge gegraben und sie zum Abrutschen gebracht.
Mein Gott!, durchfuhr es ihn. Das ist ja schlimmer als jeder Ausbruch!
Es tat ihm in der Seele weh zu sehen, welche Unmengen an fremder Last der Berg zu tragen hatte. Sie wurde ihm ohne ersichtlichen Grund aufgebürdet - für Datone ein
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