2277 - Die Macht der Sekte
funkelnden Augen.
Datones Unsicherheit nahm zu. „Vielleicht ist es für dich schon kalter Kaffee", meinte er. „Aber sie sollen ja ganz dicke miteinander sein, Romero und dieser Sektenführer. Wenn die Jünger jetzt den Berg übernehmen ..."
Don Carreras lehnte sich zurück und führte zwei Finger der rechten Hand nachdenklich an sein Kinn. „Was genau hast du gehört?"
Datone atmete tief durch. Dann schilderte er dem Padrino ausführlich, wie er vor einer Woche ein Gespräch in einer Kneipe belauscht hatte, die gern von Romeros Handlangern aufgesucht wurde. Whisky, Tequila, Vurguzz und Ouzo waren dort billig, das Mobiliar schäbig -es entsprach dem Selbstverständnis dieser Leute.
Wenn er sich alles richtig zusammengereimt hatte, was an bösen und beiläufigen Bemerkungen gefallen war, machte Romero mit Imberlock Geschäfte. Anscheinend hatte er sogar Freundschaft mit dem Sektenführer geschlossen, und Datone konnte sich gut vorstellen, dass die Wahl des Vesuv als neuer Stützpunkt für die Anhänger Gon-Orbhons auf diese Entwicklung zurückging.
Don Carreras knirschte mit den Zähnen. „Dieser Mistkerl..."
„Ich hatte angenommen ...", begann Datone entsetzt und fing sich gleich wieder. „Weil ich ja weiß, dass du so etwas nicht auf dir sitzen lassen würdest..."
Don Carreras nickte grimmig. „Deshalb dachte ich", stotterte Datone weiter, „dass du wahrscheinlich schon detaillierte Pläne hast, die du nur nicht publik machen darfst, damit sie nicht noch im letzten Moment vereitelt werden."
Der Padrino starrte ihn an und durch ihn hindurch: Sein Blick sah den alten Gegner, der sich wieder aus dem Staub erhoben hatte. „Ich habe hundertfach mehr neapolitanisches Blut vergossen, als mein eigener Körper fassen könnte", sagte Carreras. „Niemand hat mehr Anrecht als ich auf Neapel und den Vesuv. Es ist keine Frage des Geldes, sondern der Ehre, den feurigen Berg unseres Schicksals zu behalten oder aufzugeben. Haben wir Ehre, Datone?"
Datone nickte stumm und blickte den Padrino mit neuer Ehrfurcht an. Mit Ende siebzig war dieser Mann in den besten Jahren, vital und voller Kraft. Früher mochte silbernes Haar ein Zeichen des Alters gewesen sein, mittlerweile war es bestenfalls eine Modeerscheinung oder eine Reminiszenz an jenes Früher. „Bist du bereit für einen neuen Auftrag?", fragte Carreras geradeheraus. „Es geht um unsere Zukunft."
Datone schluckte schwer. Konnte es wirklich sein, dass er jetzt eine neue Chance erhielt? Vielleicht hatte Carreras ja doch eine Schwäche für ihn. War er nicht immer davon ausgegangen, dass er ihm den Job als Fremdenführer verschafft hatte, weil Datone ihm im Grunde sehr am Herzen lag? „Ich bin bereit, Padrino."
Die Finger an den Lippen, blickte Carreras ihn durchdringend an. „Dein Auftritt hier hat mir imponiert. Du weißt viel, hältst Augen und Ohren offen. Und du weißt dein Wissen einzusetzen. Unter deiner äußeren Schwäche verbirgt sich viel innere Kraft."
Datones Brust schwoll vor Stolz an. „Du hast mit deiner Einschätzung Recht", fuhr der Padrino mit einer beiläufigen Geste fort. „Alle Neapolitaner verehren den Vesuv, und es wird zu Protesten kommen. Ich möchte, dass du die Öffentlichkeit mobilisierst. Die Botschaft ist einfach: Der Vesuv ist ein Teil der terranischen Geschichte, ein Kulturgut, das bewahrt werden muß und nicht verändert, geschweige denn einer Sekte von Spinnern zum Umbau überlassen werden darf."
Datone nickte. „Wird erledigt."
„Eines noch", hielt Carreras ihn auf, als er sich schon zum Gehen wenden wollte. „Niemand darf erfahren, dass ich hinter der Protestbewegung stehe. Die meisten sehen in mir einen Bösewicht, sodass die Wirkung sofort verpuffen würde. Gib deiner Aktion einen Anstrich, mit dem sich alle Saubermänner des Landes identifizieren können. Gründe eine Protestbewegung."
„Das wird hohe Wellen schlagen." Datone grinste. „Und wir werden auf dieser Welle reiten."
Don Carreras lächelte und wandte sich wieder seinem Schreibtisch zu. Datone war entlassen.
Don Carreras blickte auf, als die Tür hinter Datone ins Schloss fiel. Er verschränkte die Arme und lehnte sich auf seinem Sessel zurück.
So viel Schneid hätte er Datone gar nicht zugetraut. Oder so viel Talent zur Intrige.
Carreras war sich darüber im Klaren, dass dieser kleine Ganove ihn für seine Zwecke einspannen wollte. Er nahm es ihm nicht einmal übel. Er hatte ihn selbst als Werkzeug missbraucht und gestand ihm das Recht zu,
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