2280 - Exil der Orakel
gefestigt.
Ja, so schnell drehte sich alles. Vor zwei Tagen war er verflucht und als Verräter gebrandmärkt worden, der die Prinzipien Carya Andaxis missachtet hatte. Heute lag er als der große Held im Wasser, der als Einziger das Unglück vorausgesehen hatte.
Es galt, die gute Strömung zu nutzen. Den Gedanken an die mehr als zweihundert Schota beiseite zu schieben, die durch den Hyperschock, gleichzusetzen mit der Vernichtung des Cain-Systems, gestorben waren. „Alles ist im Umbruch begriffen!", fuhr Bort schließlich fort. „Die wichtigste Erkenntnis der letzten Tage ist wohl die, dass auch wir uns ändern und anpassen müssen. Es gilt, diese neue Welt zu erobern und uns einen Platz zu schaffen, an dem wir uns wohl fühlen können." Die Patriarchen nickten. Manche applaudierten sogar mit den Flossenhänden, „Ios V ist keine neue Heimat, die uns mit offenen Armen empfängt. Wir könnten Hilfe benötigen, um diesen Eingewöhnungsprozess zu beschleunigen. Hilfe von den Fahrenden Besch" - da und dort grunzte ein konservativer Patriarch -„und von den Motana, die hier beheimatet sind."
„Motana?"
„Hier?"
„Wieso wussten wir das nicht?"
Bort übertönte das ausbrechende Stimmengewirr. Mit kräftiger Stimme -und ein wenig Wut im Bauch - rief er: „Natürlich hättet ihr davon wissen können, aber es hat euch nicht interessiert! Ein Großteil der Bewohner von Baikhal Cain wurde im Auftrag ihrer neuen Anführerin Zephyda hierher deportiert. Um sie vor dem Zorn der Kybb nach dem Ausbrechen der Aufstände in Sicherheit zu bringen." Wild platschte er umher, hob sich sogar ein wenig aus dem seichten Meer, während Wiini unter ihm orientierungslos im Kreis schwamm. „Aber stattdessen seid ihr ins dunkelste Wasser eingetaucht und habt die deutlichsten Zeichen ignoriert; etwa den Kampf um den Heiligen Berg oder die Rückkehr der Bionischen Kreuzer nach einer Ewigkeit."
„Unsichtbarkeit und Nichteinmischung!", schrie Goth Dungear völlig zusammenhanglos di.e Dogmen ihrer Kultur in die versammelte Menge.
Bislang hatte sich der Alte jeglichen Kommentars enthalten. Nun jedoch kam er herangeflosselt und richtete seinen faltigen Körper neben dem Borts auf. „Wir alle haben dir viel zu verdanken, junger Patriarch! Aber mit deinen ketzerischen Worten dümpelst du dich erneut ins ganz flache Wasser. Unser Lebensinhalt ist nun einmal auf den Säulen errichtet, die uns die Herrin zu wahren befahl. Carya Andaxi hat stets vor falschen Propheten wie dir gewarnt, die unser Volk in den Untergang führen werden ..."
„In zumindest einem Punkt muss" ich dir Recht geben, Goth", unterbrach Bort den Alten. „Ich möchte das Volk der Schota-Magathe tatsächlich führen. Aber nicht in den Abgrund, sondern in eine Zukunft, die wir aktiv mitgestalten werden. Deswegen fordere ich dich hier und jetzt auf, dein Amt als Oberster zur Verfügung zu stellen."
Mit einem Schlag herrschte Totenstille. Lediglich ein Vogel am fernen Horizont breitete die Flügel weit aus und krächzte brunftig in seine luftige Welt hinaus.
Goth Dungear blickte Bort fassungslos an. Zehn, zwanzig Herzschläge lang. Erst dann schnaubte er empört trübes Wasser hoch in die Luft. „Das ist das Lächerlichste, was ich je gehört habe!", brachte er schließlich hervor. „Keineswegs", entgegnete Bort gelassen. „Ich bitte die Patriarchen, in zehn Tagen einen neuen Obersten wählen zu lassen."
„Das widerspricht unseren Prinzipien und entbehrt jeglichen Respekts vor dem Rat!
Abgesehen davon hast du nicht den Hauch einer Chance, zu gewinnen." Goth Dungear trieb aufgeregt im Wasser und kratzte sich nervös an allen möglichen Stellen. „Wenn du dir so sicher bist, kannst du es ja auf eine Entscheidung ankommen lassen." Gelassen blickte Bort über den Alten hinweg und ließ sich elegant ins Wasser zurücksinken. „Heute aber sollten wir darüber abstimmen, ob wir mit den Fahrenden Besch und den Motana Kontakt aufnehmen. Denkt bitte daran: Wir vergeben uns nichts. Wir können nur gewinnen."
Borts Argumentation stand auf schwachen Flossen, dessen war er sich bewusst.
Aber die Schota-Magathe befanden sich in einer psychischen Ausnahmesituation, wie sie seit Jahrtausenden nicht mehr da gewesen war. Jetzt und nur jetzt konnte er einen Meinungsumschwung herbeiführen, das spürte er und empfand nicht den geringsten Skrupel dabei.
Er war jener Patriarch, der das Volk in eine Zukunft voller Bedeutung führen würde.
Von Beginn der Abstimmung an verlief alles
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