2283 - Zwielichtklingen
erreichte er nicht mehr. Er würde nie wieder etwas von ihnen verlangen. Aber er hatte noch die Roboter! Seitdem er ihnen befohlen hatte, das Feuer auf die Pflanzen einzustellen, standen sie in der Stadt und warteten auf neue Anweisungen.
Er forderte sie auf, die von ihnen angerichteten Verwüstungen zu beheben, soweit sie dazu in der Lage waren. Sie sollten Oaghon in Ordnung bringen, säubern und für ARCHETIM schmücken. Sie sollten Hilfe leisten, wo Hilfe nötig war. Er agierte wie in einem Rausch, als könne er in den wenigen ihm verbleibenden Stunden wieder gutmachen, was er über Jahre hinweg angerichtet hatte. Nicht alles, aber vielleicht einen kleinen Teil.
ARCHETIM! Er hatte ihn für tot erklärt, obwohl er immer gewusst hatte, dass er lebte und heimkehren würde. Er hatte die Superintelligenz verraten. Welche Strafe war hoch genug dafür? Wusste ARCHETIM es? Würde ARCHETIM über ihn Gericht halten und ihm sagen können, wie er zu büßen hatte, um wenigstens sein Gewissen zu reinigen? Er war bereit, jede Strafe zu akzeptieren, seine Bürde zu tragen. Er würde alles tun, alles.
Aber da war noch etwas.
Die Prophezeiung!
Sie hatte sich erfüllt, bis auf einen Punkt. Er war zum mächtigsten Feldherrn der neueren Geschichte aufgestiegen und hatte danach alles verloren: seine Freunde, seine Armeen, sein Reich, die ganze Macht. Aber was war mit den Klingen, die er im Tempel von Purr an sich gerissen hatte?
Einen Augenblick lang spielte er mit dem Gedanken, sie zu nehmen und sich selbst damit zu richten. Aber das wäre falsch, er wusste es einfach.
Oder hatte er vielleicht nur Angst? Wollte er dem Schicksal diesen Triumph nicht auch noch gönnen?
Draußen begann es zu dämmern. Die Roboter bewegten sich immer noch zwischen den Gebäuden.
Der neue Tag zog herauf. ARCHETIMS Tag. Mamor Ir'kham befahl den Robotern, ihre Tätigkeit einzustellen und in ihre Kasernen zurückzukehren. Sie konnten jetzt nichts mehr tun. Er konnte nichts tun. Nichts außer warten.
Was nun noch geschah, lag nicht mehr in seiner Hand.
Zuerst war die Stille. Eine plötzliche Ruhe, die den ganzen Planeten, das ganze System, vielleicht die gesamte Galaxis erfasste. Es war wie ein letztes, tiefes Atemholen vor dem großen Ereignis, dem Phariske-Erigon seit mehr als hundert Jahren entgegenfieberte.
Dann erschien ein Licht, heller als tausend Sonnen. Eine Wärme, sanft, wohlig, Seligkeit und Geborgenheit verheißend, breitete sich in den Schohaaken aus.
Mamor Ir'kham hatte dieses Gefühl nie gekannt. Als ARCHETIM die Galaxis verließ, war er noch nicht geboren gewesen. Aber es war überwältigend.
In diesem Augenblick - Ir'kham registrierte kaum die Informationen auf seinen Monitoren, dass eine gewaltige „energetischgeistige Präsenz" nahe der Bahn von Oaghonyr materialisiert sei -waren alle Sorgen, alle Ängste und alle Schmerzen vergessen. ARCHETIM war da! Sein Licht und seine Wärme, sein Geist und seine Größe überstrahlten alles, tasteten sich behutsam in Ir'khams Geist und nahmen ihn gefangen.
Es war so wundervoll. ARCHETIM - wahrhaftig die Seele, die Hoffnung und das Glück. Er konnte es nicht beschreiben. Ein Friede, so tief und so vollkommen, wie er es sich nie hätte vorstellen können, ergriff von ihm Besitz und füllte ihn aus bis in die letzte Nervenfaser. 'ARCHETIM - der Große Bewahrer; der Große Friedensbringer. Die Überlieferungen hatten nicht gelogen. Ir'kham hatte sie zurückgewiesen, über sie gelacht und geflucht, die Augen und alle anderen Sinne verschlossen.
Wie blind war er gewesen! Wie arm! Nichts hatte er gewusst, als er diesen Frieden, dieses Glück verriet!
Und ARCHETIM kam über den Planeten. ARCHETIM kehrte heim in seinen HORT.
ARCHETIM kam zum zweiten Mal, um eine aus den Fugen geratene Galaxis zu befrieden.
Mamor Ir'kham glaubte, den Verstand verlieren zu müssen. Er war wie berauscht. Er glaubte, in ARCHETIMS Frieden und Licht zu schweben, sich darin aufzulösen, einzugehen in ein unendliches Glück, das er nie verdient gehabt hatte - aber auch solche Gedanken ließ ARCHETIM in diesen Momenten gar nicht aufkommen.
Und so, dachte Ir'kham, muss es immer gewesen sein, vor dem Krieg.
Es durfte nie wieder enden.
Der ehemalige Führer der Schwadron und eines barbarischen Reichs hatte nur noch den einen Wunsch: wieder zu kämpfen, doch diesmal nicht mit Kanonen, sondern mit seinem Geist; mit allem, was er besaß und was er geben konnte.
Aber was war das? War er dazu überhaupt in der Lage?
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