2289 - Der eiserne Finger Gottes
Qual" in diesem Fall Unsinn sei. Die Zeit einer Folter ließe sich nur bemessen, wenn nach ihrem Ende Zeit zur Rückschau bliebe.
Nach dem Feuertod würde es keine Rückschau geben. Die Qual mochte ebenso gut kurz wie unendlich lang sein, da er sie nicht mehr messen konnte.
Er versuchte zu hoffen. Etwas könnte geschehen. Ein ungeheurer Regenguss, der die Flammen löschte. Unwahrscheinlich in der Wüste, in der Grachtovan lag. Jemand könnte beschließen, ihn mit Gewalt zu retten. Aber wer? Seine Sklaven, die er nicht gut, nicht schlecht, sondern einfach wie nützliches Gerät behandelt hatte, das länger nutzbar war, wenn man es pflegte? Die Sklaven waren entweder noch im Pferch hinter dem Tempel oder bereits verkauft.
Die Edlen ... Aber sie hatten ihn ausgeliefert. Taban-Tselayu hatte ihn durch schafte Fragen dazu gebracht, das zu sagen, was er nie hätte sagen dürfen. Und der Rat, die Edlen des Reichs ... Sie hatten den Befehl mit ihrem Siegel versehen. Er erinnerte sich an eine Gestalt, die bei den Verhören zugegen gewesen war. Ein Edler, zweifellos, aber er konnte sich nicht auf den Namen besinnen.
Wahrscheinlich hatten sie einen abgestellt, der darauf achten sollte, dass die Verhöre den Regeln entsprachen. Dass Laruvela die vorgeschriebenen Pausen einlegte. Dass er ihn nicht zu sehr schwächte oder gar tötete.
Die Wissenschaftler? Aber sie waren zu wenige, machtlos, Frauen und Männer des Geistes, nicht der Tat. Außerdem gehörten die meisten von ihnen zu den Edlen.
Nein, niemand würde ihn retten. Tum-Tawalik nicht und nicht - wenn sie überhaupt noch lebte - Hy'valanna. Er verzehrte sich in Sehnsucht nach ihr, nach ihrem Blick, ihrer Umarmung, ihrem Schnurren der Befriedigung. Bis er sie wieder mit Sarrukhat oder einem der anderen Heiligen sah. Einem der alten Raubtiere.
Die Gedanken kamen und gingen. Irgendwann stand er wieder seinem sterbenden Vater gegenüber; vielleicht war dies aber auch Traum, Fetzen eines Traums in einem Halbschlummer.
Geon-Durn der Bekenner, der sich durch Bekennen zum Feuertod geredet hatte. Aber in diesem Halbtraum tadelte ihn der Vater nicht. Er schwieg, und auf unerklärliche Art gewann Geon-Durn aus diesem Schweigen Kraft.
Denn plötzlich begriff er, dass er, vielleicht zum ersten Mal, etwas bekannt hatte, was des Bekennens wert war. Nicht Berechnungen oder Meinungen oder Überzeugungen.
Nein. Unter der Folter Laruvelas hatte Geon-Durn von Taraon seine Stärke, seine Kraft bekannt. Die Stärke, nichts und niemanden zu verraten. Die Kraft, das Geheimnis des Eisenbuchs, der Eisensucher und gewisser Verschwörungen gegen die Priester ungesagt mit in den Tod zu nehmen. Obwohl jene, deren Namen zu nennen er sich weigerte, ihn verraten und ausgeliefert hatten.
*
Abends kamen die Büttel. Sie gaben ihm einen frischen Leibschurz und führten ihn durch lange Gänge zum Tempel. Vor einem der Altäre sah er, ungläubig, ein halbes Dutzend Sirips kauern. Neben ihm stand Sarrukhat, der sie anstarrte und schwieg.
Einen Moment bildete sich Geon-Durn sich ein, der Erhabene sei damit beschäftigt, den Sirips etwas vorzudenken. Du bist wahnsinnig, sagte er. Aber vielleicht ist Wahnsinn ja ein tröstlicher Zustand für einen, der gleich brennen wird.
Sie brachten ihn zum Haupteingang, zum dunklen Tor. Er hörte, wie das Brausen eines fernen Sandsturms, das Gemurmel einer riesigen Menschenmenge.
Dann trat er hinaus, ins Freie. Murmeln und Reden und Getuschel endeten; eine beinahe schmerzhafte Stille legte sich über alles. Er sah die dicht gedrängten Körper, sah eine gewaltige Masse, aber keine einzelnen Wesen oder gar Gesichter.
Und er sah die zusammengesteckten Gitter aus Bronze, die den Haufen aus Blättern und Büchern, in dem sich zweifellos viele Stücke morschen Holzes befanden. Reste zerbrochener Möbel, Fetzen nutzloser Rinde, stinkendes Stroh. Dinge, die gut brennen würden.
Der umzäunte Brandhaufen war nicht weit von der Stele der Verkündung aufgetürmt worden. Dort stieg der Oberste Mond-Deuter auf eine Art Tisch. In der Hand hielt er einen Bronzetrichter, den er vor den Mund hob.
Geon-Durn hörte nicht hin. Die Stimme, durch den Trichter verstärkt, sonderte Schmutz ab, Unflat und Unsinn. Über die schändliche Ketzerei, die durch reinigendes Feuer aus der Welt zu entfernen sei. Über die Weisungen des Gottes, der sich an diesem Abend dazu bereit finden werde, alle Monde hintereinander aufzureihen, Zeichen, dass alles eines sei. Und er habe ja in den
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